Der lange Arm – was wäre, wenn…

In der Frankfurter Allgemeinen war vor kurzem über den Albtraum eines Finanzfachmanns und Vorstands zu lesen. Auch in der ARD-Sendung „Panorama“ wurde berichtet. Nachfolgend eine Zusammenfassung des unbedingt lesenswerten Artikels.

Der Finanzfachmann und seine Firma, die Kölner Deutsche Forfait AG, wurden im Februar 2014 vom US-Finanzministerium wegen vermeintlichen Verstosses gegen Iran-Sanktionen auf die Schwarze Liste der „Specially Designated Nationals“ gesetzt. Sie wurden beschuldigt, die nationale Sicherheit der USA zu gefährden. Die Deutsche Bundesbank, die die Einhaltung von Finanzsanktionen überwacht, prüfte daraufhin die Firma. Sie stellte keine illegalen Geschäfte fest.

Nach dem Eintrag auf der Blacklist trudelte die Deutsche Forfait in Richtung Insolvenz. Die „Treasury“ verlangte die Entlassung des Vorstandsmitglieds. Als der sein Arbeitsverhältnis beendet hatte, wurde die Firma von der Schwarzen Liste genommen, er selbst blieb darauf und spürte die Folgen bis tief in sein Privatleben. Z.B. verweigerte die Deutsche Telekom ihm die Übergabe eines Mobilfunkgeräts aus dem Hause Apple, die Spedition Schenker lieferte an ihn keine Waren aus. Begründung in beiden Fällen, er stehe auf einer amerikanischen Liste.

Der Finanzfachmann bat die US-Treasury mehrfach, von der Schwarzen Liste genommen zu werden. Im Juni 2015 kam daraufhin ein Schreiben, in dem detailliert Auskunft verlangt wurde über Reisen und Treffen, die zeitlich, örtlich und hinsichtlich der Gesprächspartner genau spezifiziert waren. Sollte er nicht kooperieren, würde sich das auf sein Anliegen negativ auswirken, hieß es weiter. Er verweigerte die Lieferung solcher Informationen.

Ähnliche Erfahrungen machte auch ein Hamburger Bankangestellter, der bei der Commerzbank für internationale Geschäfte zuständig war. Auch seiner Bank und ihm selbst wurden Geschäfte vorgeworfen, die gegen amerikanische Iran-Sanktionen verstossen haben sollen. Der Mann wurde im Rahmen eines Vergleichs zwischen seiner Bank und US-Behörden im März 2015 entlassen, außerdem zahlte die Bank eine Strafe von 1,3 Mrd. Dollar. Die Kündigung wurde in Prozessen vor deutschen Gerichten als unzulässig festgestellt, sie sei wegen des Drucks durch einen Dritten erfolgt und nicht etwa wegen persönlichen Fehlverhaltens. Eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts steht noch aus, die Commerzbank beruft sich weiterhin auf Druck aus den USA.

Einzelfälle oder Spitze des Eisbergs? US-amerikanische Gesetze gelten hier zwar nicht, aber sie wirken – dieser lange Arm des "großen Bruders" ist das eine. Wie gut Stellen in den USA über wirtschaftliche Vorgänge im Ausland informiert sind, das ist das andere, u.a. NSA sei dank.
Das dritte ist, und das meine ich keineswegs nur in Richtung USA: Was wäre, wenn das Bargeldverbot, an dem überall herum gedacht wird, erst Realität ist? Dann gäbe es das ultimative Druckmittel – kooperiere oder verrecke.
Man sollte Orwells "1984" noch einmal lesen – vielleicht an Weihnachten.

Ergänzung:
Zum Thema Abschaffung von Bargeld passt: "Kampf für das Bargeld".

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