Trump – der nächste US-Präsident?

Im US-Vorwahlkampf liegt Donald Trump im Rennen um die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Republikanischen Partei („Grand Old Party“ – GOP) derzeit klar vorne. Bisher hat er es mit Lügen, Provokationen und Angstmache geschafft, das Establishment seiner Partei auszustechen. Seine parteiinterne Konkurrenz sieht in ihm einen Hochstapler, genutzt hat es nichts. Dreht der Wind noch?

Aus einer Umfrage der Washington Post ergibt sich, dass Trump unter den Republikanischen Wählern vor allem bei denjenigen Unterstützung findet, die unter 50.000 Dollar im Jahr verdienen. Hier kommt er auf 50%, bei den Einkommensschichten darüber sind es noch 32%. 29% seiner Unterstützer verfügen über einen College-Abschluss, 42% nicht. Zudem spricht er haupsächlich männliche Wähler an (47% gegenüber 28% Frauenanteil). Katholiken kommen auf 44%, Evangelikale auf 34% Anteil bei den Wählern der „GOP“.

Seit Jahrzehnten gibt es in den USA illegale Einwanderung in signifikantem Ausmaß. Das politische Establishment tut wenig dagegen. Die Demokraten sehen in den aus Mexiko und Lateiamerika Eingewanderten potenzielle Wähler, die Republikaner sehen in ihnen billige Arbeitskräfte. Die Einwanderung hat zu einem nicht geringen Teil dafür gesorgt, dass die Bevölkerungspyramide in den USA viel besser aussieht als etwa in den meisten europäischen Ländern.

Die unteren Schichten in der US-Bevölkerung konkurrieren mit den Eingewanderten um Arbeitsplätze und Wohnraum. Die weiße Unterschicht und die von Deklassierung bedrohten Teile der Mittelschicht begehren nun auf. Trump setzt daran an. Das erstreckt sich auch auf Befürchtungen solcher weißer Schichten, bald nicht mehr tonangebend zu sein und mobilisiert weiße Rassisten, die sich von der GOP in den zurückliegenden Jahren enttäuscht sahen.

Trump setzt an einer Entwicklung an, die die zunehmend ungleichere Verteilung bei Einkommen und Vermögen zur Basis hat (siehe z.B. hier!). Ober- und Unterschicht entfernen sich auch mental immer mehr voneinander, der ehemals noch recht egalitäre Charakter der US-Gesellschaft tritt mehr und mehr in den Hintergrund.

Die Web-Seite Politifact stuft die Behauptungen von Trump mit insgesamt 78% als "mehrheitlich falsch", „falsch“ oder "komplett gelogen" ein. Die Anhänger von Trump ficht das nicht an, sie glauben, er benenne die Dinge beim Namen. Er zeigt mit dem (Stinke-)Finger auf angeblich Schuldige in den Elite-Schichten des Landes und ist sich breiten Beifalls der sozialen Basis seiner Kampagne sicher.

Trump stellt seinen Reichtum protzend zur Schau. Das prädestiniert ihn nicht zwangsläufig zum „Vorreiter der Enttäuschten“. Er nutzt aber genau dies, um darzustellen, seine Kampagne sei eigenfinanziert und daher wäre er von Wall Street und anderem großen Geld nicht käuflich. Mit seinen gegen Regeln von Anstand und politischer Korrektheit verstossenden Attacken auf die Eliten des Landes stellt er sich verbal auf eine Stufe mit seinen Anhängern und sichert sich so ihren Zuspruch.

Die USA hat die Finanzkrise zwar besser überstanden als die meisten anderen Länder der entwickelten Welt, aber zu alter Größe hat das Land seitdem nicht zurückgefunden. Der amerikanische Normalbürger erlebte in den zurück liegenden Jahren oft genug, wie weit es von Versprechungen zur Realität ist und wie sehr sich die politischen Kräfte z.B. beim Schuldenstreit gegenseitig blockiert haben. Dies weckt Erwartungen in einen neuen starken autoritären Mann, der alles richten soll und kann.

Indem Trump den Verstoß gegen politische Spielregeln zum Prinzip erhebt, bleiben seine Widersacher in der Defensive. Mit hemmungslosen Beleidigungen gegen „Andersgläubige“ und beständigen Widersprüchen zu früheren eigenen Aussagen begibt sich Trump auf für andere Berufspolitiker unbekanntes Gelände. Dadurch, dass Trump mit seinen Ausfällen ständig eine neue Sau durchs Dorf treibt und dabei die Halbwahrheits- und Unterstellungsmechanismen sozialer Netze nutzt, bleibt er im Gespräch. Ständig ist er kostenlos auf Sendung und garantiert den TV-Sendern hohe Einschaltquoten und Werbeeinnahmen. Das erspart ihm selbst viel bezahlte Fernsehwerbung.

Ein wichtiges Element Trumps Taktik sind permanente Drohungen, sei es hinsichtlich juristischer Verfolgung, sei es, Gegner ins Visier seines Hohns, Spotts oder auch seiner Hetze in Wahlveranstaltungen zu nehmen. Seine Gegner haben darauf bisher meist kleinlaut reagiert und sich geduckt. Trump scheint dadurch unbesiegbar.

Erscheinungen wie Trump muss man in erster Linie vor einem politisch-sozialen Hintergrund sehen. Robert Kagan schreibt in der Washington Post, dass die GOP ihr Frankenstein-Monster Trump mit ihrer Blockadepolitik und ihrem Hass auf Präsident Obama selbst erschaffen hat. In Kommentaren der Partei wurde immer stärker an populistischen Strömungen angesetzt. Trump habe den von der GOP bereiteten Boden genutzt, schreibt er.

Die GOP hat sich in den vergangenen Jahren politisch in eine Ecke manövriert, in der sie sich selbst von vielen ihrer Wähler isoliert hat. Trump steuert demagogisch dagegen, setzt eigene Akzente. Dem Partei-Credo Freihandel etwa stehen viele kritisch gegenüber, kostet es doch Jobs in der Fertigungsindustrie. Trump will andere Länder zu besseren Handelsbedingungen für die USA zwingen, um Arbeitsplätze zurückzuholen. Hinsichtlich der Rolle des Staates, den die GOP schwach sehen möchte, will Trump im Gegensatz zum Parteikurs eine Krankenversicherung erhalten, was von seinen Unterstützern begrüßt wird. In der Außenpolitik legt Trump den Finger in die Wunde. Der Irakkrieg gilt mittlerweile vielen GOP-Wählern als Fehler. Trump spricht ihnen auch aus dem Herzen, wenn er von den Verbündeten verlangt, sich stärker an den Kosten der US-Sicherheitspolitik zu beteiligen. Ach ja, Moslems will er bis auf weiteres nicht mehr in die USA einreisen lassen.

Trump kam hoch auf Grundlagen, die seine Partei gelegt hat. Und er macht sich für sie gegenwärtig unentbehrlich, weil er dafür sorgt, dass ihre Wähler trotz ideologischer Borniertheit der rebublikanischen Partei bei der Stange bleiben, bei Trumps Stange, wohlgemerkt. Unwahrscheinlich, dass Trump als Präsidentschaftskandidat der GOP noch gestoppt wird.

Die FAZ hat die Kandidatur von Trump vor einiger Zeit als Skandal, Gaudi, als eine Art Wirtshausschlägerei im Politikbetrieb bezeichnet. Das ist aus heutiger Sicht wohl nicht mehr ganz passend. Sollte die GOP in letzter Sekunde doch noch einen anderen Kandidaten aufs Schild heben, wäre es Trump zuzutrauen, dass er als unabhängiger Kandidat in die Präsidentschaftswahl zieht. Er bliebe dann zwar chancenlos, würde aber dem republikanischen Kandidaten Stimmen wegnehmen, wobei wenige Prozente in den wahlentscheidenden Bundesstaaten bereits reichen. Das könnte Trump als eine Art Selbstbefriedigung womöglich reizen.

Bis dahin aber besteht Trump darauf, dass er den besten Präsidenten abgeben wird, den Gott je geschaffen hat. "OMG"…

Bill Maher befasst sich in einem satirischen Video mit den Gründen des Erfolgs von Trump – sehr sehenswert (h/t T.J.)!

[Unter Verwendung von Material aus dieser Quelle]

Ergänzung:
Das "Phänomen Trump" ist keine losgelöste Erscheinung. Es gibt Parallelen zu politischen Strömungen überall auf der Welt, die nationalistische, separatistische und antidemokratische Züge tragen (siehe z.B. hier!).

Nachtrag:
Gesehen in einem Supermarkt in den USA (h/t T.J.)

(9.4.16) Ein lesenwerter Artikel auch hier (h/t T.J.): "Donald Trump has never had any idea what he was talking about. We only just noticed."

(16.6.16) Und fundierte Geographie-Kenntnisse hat der Mann auch: "Belgium is a beautiful city".

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