Danke, Draghi!

Die EZB belässt den Leitzins in der Eurozone auf dem Rekordtief von 0,05%. Auch der Strafzins für Geld, das Banken über Nacht bei der Notenbank parken, beträgt weiterhin 0,3%. Von der heutigen Ratssitzung der EZB erwartete niemand konkrete Maßnahmen in die eine oder andere Richtung. Allerdings rechnete die Mehrheit der Beobachter im Vorfeld damit, dass EZB-Präsident Draghi in Worten Hoffnung auf „mehr“ macht. Und er lieferte…

Die EZB hatte im Januar 2015 ein Kaufprogramm für Staatsanleihen gestartet, um die Inflation im Euroraum anzukurbeln. Das Volumen war im Dezember von ursprünglich gut einer Billion Euro auf 1,5 Bill. Euro ausgeweitet und um sechs Monate auf März 2016 verlängert worden. Die Finanzmärkte reagierten damals enttäuscht, weil die monatliche Rate unverändert bei 60 Mrd. Euro belassen wurde.

Heute, nachdem ein Drittel des Programms investiert ist, steht fest, der Inflation hat es nicht auf die Sprünge geholfen. Sie klebt nach wie vor an der Null-Prozent-Grenze, im Dezember lag sie bei 0,2%.

Der Grund dafür wird bei der Preisentwicklung beim Erdöl gesucht. Die EZB hat darauf zwar keinen direkten Einfluss, aber zumindest zum Teil ist der Absturz der Rohölpreise derTatsache geschuldet, dass die Weltwirtschaft alles andere als dynamisch wächst. Die Zentralbanken sind nach der Finanzkrise 2008 angetreten, mit Geldflut und Nullzinspolitik die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzukurbeln – mit geringem Erfolg. Stattdessen hat diese Politik verhindert, dass Schulden bereinigt werden – im Gegenteil, die Verschuldung ist weiter angestiegen. Und wegen Wachstumsschwäche und überbordender Verschuldung kam die Preisentwicklung nicht in Gang – mit Ausnahme der Preise für Aktien und Anleihen, auch Immobilien. Und so tragen die Zentralbanken Verantwortung an dem, was sie bekämpfen wollen, der zumindest disinflationären Preisentwicklung in der Realwirtschaft.

Noch hält sich die Kerninflation bei zuletzt 0,9%, sie schließt die Preise für Energie und Nahrungsmittel aus. 2009 lag der Wert noch bei knapp 2%. Die Befürchtung ist, dass auch die Kerninflation immer stärker unter Druck kommt. Das würde die Inflationserwartungen nach unten drücken, und damit die Fähigkeit der EZB in Frage stellen, auf absehbare Zeit ihr Inflationsziel von nahe, aber unter 2% zu erreichen.

Zweifel an der Allmacht der Zentralbank wären aber das, was die Finanzmärkte in der aktuellen Situation am wenigsten brauchen können. Und so rechnen einige EZB-Beobachter damit, dass Draghi früher oder später Entscheidungen über künftige Aktionen an die Entwicklung der Inflationserwartungen binden könnte. Die nächsten Prognosen der EZB-Volkswirte werden Anfang März veröffentlicht.

Die Haltung der EZB, die im Dezember dazu geführt hatte, das bestehende QE-Programm zeitlich und volumenmäßig auszuweiten, aber die monatlichen Beträge gleich zu lassen, war begründet worden damit, man wolle zunächst abwarten, bis sich das Programm voll entfaltet hat.

Mittlerweile läuft der EZB die Zeit davon. Das QE-Programm hatte die erwartete preissteigernde Wirkung bisher nicht und wer daran noch glaubt, wenn sich die Konjunkturaussichten weiter eintrüben, träumt. Die Finanzmärkte sind genau deswegen bereits stark unter Druck, Risikoscheu lässt die Aktienkurse purzeln und der Anleihemarkt wird von der Flucht in sichere Häfen getrieben. Staatsanleihen hoher Bonität sind gesucht, die Titel der Euro-Kernländer verteuern sich, die der Peripherie (Italien, Spanien und vor allem Portugal) stehen unter Druck.

Der folgende Chart zeigt die invertierte Entwicklung des iBoxx Sovereigns Eurozone total Return Index. Es handelt sich um den Kursverlauf eines entsprechenden ETF (DBX0AW). Sinkende Kurse zeigen die Wertsteigerung der enthaltenen europäischen Staatsanleihen mit den höchsten Renditen. Seit Ende 2011 läuft der Kurs in einem Abwärtskanal, zwischen Ende 2013 und April 2015 mit sehr niedriger Volatilität. Im vergangenen Jahr gab es bis in den Sommer eine Aufwärtsbewegung (=sinkende Anleihekurse), danach folgte eine erneute Abwärtsbewegung am oberen Rand des Abwärtskanals.

Die Tiefs vom Frühjahr 2015 sind bisher nicht wieder erreicht worden und es sieht so aus, als ob sich der Kurs aus dem Abwärtskanal „herausschleicht“. Ohne QE-Programm der EZB wäre die Entwicklung vermutlich viel dynamischer aufwärts verlaufen. Sollten sich die Rahmenbedingungen weiter verschlechtern, wird die EZB ihre monatliche Raten für Käufe im Rahmen ihres QE-Programms wohl deutlich ausweiten müssen, um die Entwicklung gedämpft zu halten. Noch liegt der Kurs unter der EMA50d, zuletzt hatte ein Ausbruch darüber hinaus zu einer schnellen Bewegung bis zur EMA50w geführt, die weitere Avancen gedeckelt hat.

Für die Halter von Euro-Staatsanleihen ist und bleibt das Geschäft erst einmal „eine sichere Kiste“ – das QE-Programm der EZB garantiert günstige Kurse. Und für Länder wie Deutschland garantiert es niedrige Schuldzinsen, da die EZB Staatsanleihen über alle Euro-Länder quotiert kaufen muss. Wenn sie also Staatsanleihen von Portugal vor dem Absturz bewahren will, muss sie gleichzeitig ein Vielfaches an deutschen Staatsanleihen kaufen: Der deutsche EZB-Anteil ist zehnmal so hoch wie der von Portugal.

Draghi weiß, was er den Finanzmärkten schuldig ist: Zu Beginn der Pressekonferenz der EZB fällt das Währungspaar Euro/Dollar deutlich ab. Gleichzeig steigen DAX und US-Aktienfutures an. Dies wird mit der Aussage Draghis in Verbindung gebracht, mögliche weitere geldpolitische Lockerungen würden bei der kommenden Zinsentscheidung im März geprüft; dann könnten gegebenenfalls Anpassungen vorgenommen werden. Nach diesen Worten fiel der Euro auf sein Tagestief von 1,0780 Dollar.

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