Der Euro – eine Carry-Trade-Währung

Der Euro hat gegenüber dem Dollar seit Mitte 2014 fast ein Viertel seines Werts verloren. Die Währung ist nicht besonders beliebt, so scheint es. Die permanente Krise der südlichen Peripherie, insbesondere die Ereignisse in Bezug auf Griechenland, haben Kratzer hinterlassen. Das Primat der Politik, die von Anfang an fehlkonstruierte Eurozone so zusammen zu halten wie sie ist, ist wenig vertrauenserweckend.

Mit einem Anteil von 43% an allen Finanztransaktionen weltweit bleibt der Dollar das global meistgenutzte Zahlungsmittel, schreibt Stefan Bielmeier. Der Anteil des Euro als Zahlungsmittel hat 2014, wie auch den Jahren davor, etwas abgenommen, behauptet aber Platz zwei. Auf den Plätzen drei und vier folgen das britische Pfund und der Yen. Der Renminbi katapultierte sich 2014 auf zwei Prozent, zuvor war sein Anteil verschindend gering.

Als Reservewährung ist der Dollar unangefochten die wichtigste Währung. Im zurückliegenden Jahr stieg sein Anteil an den offengelegten Reserven um zwei Prozent auf 63%. Der Euro verlor in dieser Funktion etwas an Bedeutung und kommt jetzt auf einen Anteil von 22,2% (24,4 in 2013). Er bleibt auf Platz zwei der Reservewährungen.

Als Investitionswährung hatte der Euro in 2014 einen Kapitalzufluss von rund 325 Mrd. Euro zu verzeichnen. Davon gingen in der ersten Jahreshälfte 170 Mrd. Euro in Aktien und 155 Mrd. Euro in festverzinsliche Wertpapiere. In der zweiten Jahreshälfte änderte sich das Bild. Die Nachfrage nach Aktien blieb positiv, aber Bonds wurden verkauft. Per Saldo kam bei der Netto-Auslandsnachfrage null heraus. Diese Konstellation nahm im ersten Quartal 2015 nochmals deutlich Fahrt auf, das QE-Programm der EZB in Verbindung mit der erwarteten geldpolitischen Straffung in den USA machte Aktien für ausländische Investoren im Vergleich zu Anleihen attraktiver. Per Saldo kam es seit Jahresanfang nun zu einem deutlichen Kapitalabfluss aus der Eurozone. Die Voraussetzungen seitens geldpolitischer und makroökonomischer Rahmenbedingungen scheinen aktuell ungünstig für einen erneuten Anstieg der Portfolioinvestitionen zu sein, schreibt Bielmeier.

Der Euro scheint sich immer mehr zu einer Finanzierungswährung zu entwickeln. Im vergangenen Jahr ist sein Anteil an den internationalen Schuldtitelemissionen um neun Prozent auf nun 29% gestiegen. Der Dollar hat hier im gleichen Zeitraum zehn Prozent eingebüßt, bleibt aber mit einem Anteil von 58% an den insgesamt ausstehenden Schuldtiteln die weltweit wichtigste Finanzierungswährung. Unternehmen in den entwickelten Ländern, insbesondere aus den USA, finanzieren sich zunehmend in Euro. So emittierten US-Firmen im ersten Quartal 26 Mrd. Dollar an auf Euro lautende Bonds. Im gesamten Jahr 2014 hatten US-Unternehmen Schuldtitel in einem Volumen von 28 Mrd. Dollar an Euro-Schuldtiteln emittiert. Das ist eine starke Entwicklung.

EZB-Draghi verfolgt mittels Niedrigzinspolitik und QE-Programm eine Politik der Abwertung des Euro. Er will so Wachstumsschwäche und darüber eine mögliche Deflation in der Eurozone bekämpfen. Begünstigt durch die weiter lockere Geldpolitik der EZB und die erwartete Straffung jenseits des Atlantiks, nehmen große Akteure an der Finanzmärkten und Firmen immer mehr Kredite in Euro auf und transferieren die Mittel etwa in den Dollar-Raum.

Der Euro wird so zur Carry-Trade-Währung. Der Euro spielt somit eine ähnliche Rolle wie der Yen. Solche Carry-Trades machen Sinn, wenn erstens das Zinsdifferential günstig ist und zweitens der Außenwert der Kreditwährung schwach bleibt (oder wird). Die Attraktivität des Euro als Finanzierungswährung dürfte noch einige Zeit anhalten, weil die Zinsen in der Eurozone noch länger niedrig bleiben werden, schreibt Bielmeier.

[(31.7.15) – die folgenden Pasagen wurden neu gefasst]

Wenn US-Ausländer Kreditpositionen in Dollar auflösen, etwa weil sie eine baldige Zinswende erwarten, wird die US-Währung tendenziell stärker. So lange aber das Kreditvolumen in Dollar und Euro insgesamt expandiert und wie dargestellt die Rolle des Euro als Finanzierungswährung zunimmt, dürfte der Euro gegen Dollar cet. par. schwächer werden.

Im Falle einer breit angelegten Kreditkontraktion, etwa im Zuge einer weit verbreiteten Risikoaversion, dürfte der Dollar allerdings per Saldo relativ stärker zulegen als der Euro, da er als Finanzierungswährung immer noch bei weitem wichtiger ist als der Euro.

Wenn ausländische Investoren, die sich in Euro verschuldet haben, ihre Kreditpositionen in Euro reduzieren, weil sie einen nachhaltig steigenden Euro oder das Ende der Niedrigzinsen oder allgemein ein ungünstiger werdendes Zinsdifferential erwarten, werden sie Euro nachfragen, der Euro wertet auf.

Aus dem Aspekt der Finanzwährungsfunktion ergibt sich damit, dass Euro/Dollar bei gleichbleibender oder zunehmender Risikoneigung eher unter Druck bleibt. Eine allgemeine Risikoaversion dürfte zum selben Ergebnis führen, der Effekt wird allerdings umso schwächer, je mehr die Bedeutung des Euro als Carry-Trade-Währung zunimmt.

Vor 2014, erst recht vor 2008 war das Währungs-Reaktionsmuster etwas einfacher. Der Dollar fungierte in Krisenzeiten als sicherer Hafen, Schwäche in seinem Außenwert zeigte (zusammen mir steigenden Aktienkursen) zunehmende Risikobereitschaft an. Nimmt heutzutage die Risikoneigung der Anleger zu, führt das über den Carry-Trade-Mechanismus dazu, dass der Euro tendenziell schwächer wird und Aktien steigen.

Stichwort "Währungs-Reaktionsmuster": Der folgende Chart zeigt, dass sich die langfristige Korrelation zwischen Euro/Dollar und S&P 500 (unterer Teil, rotbraun) ab der Jahresmitte 2014 invertiert hat. Ein steigender Aktienindex fällt mit einem schwachen Euro/Dollar zusammen. Seit Mai 2014 können mehr als 70% der Veränderungen der Aktienkurse statistisch durch Veränderungen in der Währungsparität erklärt werden.

Das Bild der Korrelation zwischen DAX und Euro/Dollar:

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