Warum ich der Stabilitätshilfe für Griechenland nicht zugestimmt hätte

Dirk Elsner schlüpft in seinem Blog in die Rolle eines Abgeordneten des Deutschen Bundestags und fragt sich, wie er sich bei der Abstimmung über das weitere Vorgehen hinsichtlich Griechenland verhalten hätte: „Weil diese Entscheidung nicht nur eine ökonomische ist, sondern auch eine politische ist, würde ich als Abgeordneter schweren Herzens zustimmen.“

Zu dieser Haltung kommt er trotz Kritik am Kreislauf aus immer neuen staatlichen Rettungsfonds und massiven negativen Anreizen setzenden Stützungspaketen. Ihn „überzeugt auch nicht das Konzept der Fiskalunion, das nahezu zwangsläufig auf eine Transferunion hinauslaufen wird und vermutlich einen weiteren bürokratischen Moloch schaffen wird, den wir eines Tages verfluchen werden.“ Die Fiskalunion widerspricht auch seiner föderalistisch geprägten Gesinnung und dem einst so hoch gehaltenen Subsidiaritätsprinzip für Europa. Er teilt auch die Meinung, dass die Währungsunion große Webfehler hatte und der weiteren Nachsteuerung bedurft hätte: „Der EURO hat deutlich sichtbare Fehlentwicklungen in den Leistungsbilanzen verkleistert. Die EURO-Finanzmärkte haben Leistungsbilanz- und Staatsdefizite ohne Risikobewusstsein finanziert.“

Das, was ihn letztlich mit „Ja“ stimmen lässt, ist: „Die aktuellen Vorschläge zu der griechischen Lösung haben nur einen Vorteil: Sie sind verhandelt mit Griechenland und den anderen 18 Staaten der Eurozone, die zum Teil vollkommen andere und gegensätzliche Positionen vertreten als die Regierung von Tsipras in Griechenland.“

Ein hinzukommendes Argument ist für ihn, dass niemand die richtige Lösung kennt. Die unterschiedlichen Lösungsansätze hätten alle einen Haken, sie sind unsicher in ihrer Wirkungsweise und haben Konsequenzen, die wir heute nicht einmal erahnen. Es sei für die keine Verantwortung tragenden Beobachter recht einfach, „in (sozialen) Medien über die Aktivitäten der Politiker zu lamentieren und es im Zweifel besser zu wissen.“

Ich möchte zu der Argumentation ein paar Anmerkungen machen, weil sie in der zurückliegenden Zeit häufiger zu hören ist.

Es stimmt natürlich, dass niemand genau weiß, welche Alternative welche Konsequenzen hat. Aber so ist das nun mal mit allem, was in der Zukunft liegt. Und, im Ernst, daraus abzuleiten, so weiter zu machen wie bisher, bedeutet ebenfalls nicht, sich über die Zukunft sicherer zu sein. Denn wer sagt, dass nach zwei Rettungspaketen das dritte jetzt nicht plötzlich extrem negative, nicht vorhergesehene Nebenwirkungen entfaltet? Umgekehrt: Mit positiven Nebenwirkungen zu rechnen, wäre eher blauäugig, angesichts der Tatsache, dass von den avisierten 85 Mrd. Euro innerhalb der auf drei Jahre angesetzten Rettungsphase etwa 50 Mrd. Euro für die Abzahlung fälliger Staatsschulden gebraucht werden. D.h. das Rettungspaket rettet vor allem die Illusion, die griechischen Staatsschulden seien tragfähig. Es wird die Eurokrise nicht lösen, sondern nur vertagen. Bestenfalls.

Ja, es stimmt auch, dass es diejenigen einfach(er) haben, die keine operative Verantwortung für ihre Haltung oder ihr Handeln tragen. Das ist aber genau der Grund, warum es gut ist, dass es z.B. Wissenschaften gibt, die fernab vom politischen Alltagsgeschäft angesiedelt sind. Unter solchen Bedingungen fällt es oft leichter, Dinge zu analysieren und zukunftsweisende Konzepte zu entwickeln. Und das ist auch gut so.

Politische Führer werden normalerweise gewählt, weil ihre kurzfristigen Vorhaben, ihre längerfristigen Pläne für die Entwicklung der Gesellschaft und ihre Persönlichkeiten gefallen. Politische Führer, die sich nur deshalb immer wieder für das „kleinere Übel“ entscheiden, weil sie Angst vor der mit einem weitergehenden Vorschlag verbundenen Unsicherheit haben, sind mindestens überflüssig, meistens schädlich. Weil nicht-Handeln oder so weiter zu machen wie bisher nicht bedeutet, keine oder weniger Fehler zu machen.

Elsner bezieht sich bei seiner Entscheidung auch auf politische Gründe. Was politisch mit dem voläufig letzten Akt der Griechenland-Rettung deutlich wurde, ist die Ignoranz demokratischer Prinzipien. Alles wird dem Ziel unterworfen, die Eurozone so zu erhalten, wie sie ist, den Prozess als unumkehrbar darzustellen.

Elsners Kritik an den Verhältnissen in der Eurozone ist recht tiefgreifend, sein Konzept von Europa passt aus meiner Sicht nicht zu dem, wohin das Ganze läuft. Wenn dem so ist, muss man sich irgendwann vom „kleineren Übel“ verabschieden und die Unsicherheit wählen.

Im Fall der Eurozone kann das meiner Meinung nach nur bedeuten, dieses Experiment zu beenden. Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Die gemeinsame Währung ist eine starre Klammer, die verhindert, dass sich die einzelnen Volkswirtschaften aufeinander zu entwickeln. Die Radikallösung besteht in der vollständigen Abschaffung dieses Gebildes bei Beibehaltung des Freihandels in Europa (also zurück zur Zeit der frühen 1990er Jahre). Eine Zwischenlösung wäre ein Euro-Nord und ein Euro-Süd. Eine weitere (radikale) Alternative wäre der Dexit – Deutschland verlässt die Eurozone mit der Folge, dass der Euro deutlich abwerten und den verbleibenden Ländern Wettbewerbsvorteile verschaffen würde.

Alles wäre besser als jeden Tag die Weichen weiter zu stellen in Richtung Staatenbund oder Transfer-, bzw. Fiskalunion. Die zur Beherrschung der Geburtsfehler der Eurozone notwendige Bürokratie frisst nach und nach alle wirtschaftlichen Impulse auf. Diese Alternativlosigkeit bringt uns wirtschaftlich um.

Deshalb hätte ich als Bundestagsabgeordneter der Stabilitätshilfe für Griechenland nicht zugestimmt.

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