QE-Programm der EZB – Eurozone auf japanischem Kurs

Der DAX ist in den zurückliegenden fünf Handelstagen um 600 Punkte gestiegen. In teilweise sehr volatilem Handel hat er die Psycho-Marke 10000 geknackt und notiert nun auf Allzeithoch. Er hat zudem große relative Stärke im Vergleich zu US-Aktien gezeigt. Der Euro hat gleichzeitig an Wert verloren und den wichtigen Supportbereich von 1,17 gebrochen.

Ob europäische Aktien von Zufluss ausländischen Kapitals getrieben wurden? Ein „Nein“ liegt angesichts der Euro-Schwäche zwar nahe, aber wenn gleichzeitig Carry-Trades, die Kreditaufnahme in Euro und Transfer des Darlehensbetrags in Dollar, stattfinden, kann die Entwicklung der Währungsrelation alleine darauf keine Antwort geben. Der eine Effekt stärkt den Euro, der andere schwächt ihn.

Der Wochenchart Euro/Dollar zeigt das Währungspaar so tief wie im Herbst 2003 in der Mitte eines Abwärtskanals aus Mitte 2008. Im Mai 2014 notierte das Währungspaar noch bei 1,38. Sollte die Dynamik der Abwärtsbewegung Bestand haben, wäre Anfang des zweiten Quartals die Parität und der untere Rand des Abwärtskanals erreicht.

Klar ist, dass die massiven Bewegungen der zurückliegenden Woche mit der EZB-Sitzung am Donnerstag, dem 22. Januar, in Verbindung stehen. Nachdem systemmatisch Erwartungen geweckt worden sind, dass die EZB ein QE-Programm nach Vorbild der Fed auflegen wird, nachdem auf europäischer Ebene schon mal vorsorglich rechtlich grünes Licht gegeben wurde, gehen die „Märkte“ todsicher davon aus, dass es kommt. Käme es nicht oder fiele es deutlich kleiner aus als das kommunizierte Volumen von einer Billion Euro, gäbe es vermutlich einen Crash.

EZB-Chef Draghi hat seit Mitte 2012 versprochen, die EZB werde alles tun, um den Euro zu retten (“whatever it takes”). Es ist nicht Aufgabe der EZB, den Euro zu retten – das nur nebenbei. Bisher hat seine Rhetorik ausgereicht, aber nun wollen die “Märkte” Taten sehen.

Die EZB hat ein kompliziertes Abstimmungssystem. Die fünf größten Mitgliedsländer der Eurozone, Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und die Niederlande, haben auf monatlich rotierender Basis vier Stimmen, die anderen 13 haben auf ebenfalls rotierender Basis elf Stimmen. Die Länder werden vertreten durch die nationalen Zentralbankpräsidenten. Die sechs Mitglieder des EZB-Direktoriums haben ein dauerhaftes Stimmrecht. Bei Kapital, Währungsreserven oder Gewinnverteilung betreffenden Beschlüssen des EZB-Rats erfolgt eine Stimmgewichtung entsprechend den Anteilen der Zentralbanken am Kapital der EZB.

Die deutsche Vertreterin im EZB-Direktorium, Sabine Lautenschläger, hatte sich jüngst vorerst gegen den Ankauf von Staatsanleihen durch die Zentralbank ausgesprochen, weil Nutzen und Risiken gegenwärtig in keinem vernünftigen Verhältnis zueinander stünden. Ob sie dem Druck widerstehen wird???

Wahrscheinlich wird sich Draghi bei einer Abstimmung über ein QE-Programm durchsetzen, aber es wird wohl keinen Konsens geben – vielleicht keine Nein-Stimmen, sondern "nur" Enthaltungen. Mehrheitsentscheidungen aber sind problematisch. Luxemburg, Malta und Zypern haben weniger als eine Million Einwohner, sechs andere Länder bringen es auf jeweils unter zehn Millionen, einige davon haben weniger als zwei Millionen Einwohner. Große Länder könnten sich da letztlich überfahren fühlen. Und wenn die Zentralbank des größten Landes, Deutschland, nicht voll hinter der Entscheidung steht, wäre die Glaubwürdigkeit von Draghi erheblich angeschlagen. Insbesondere würde es ihm dann immer schwerer fallen, weiterführende Beschlüsse durchzusetzen. Und die werden kommen müssen – mit einer Billion Euro werden sich die "Märkte" nicht zufrieden geben.

Ob Draghi dann bald das Weite sucht und es z.B. nochmals als italienischer Staatspräsident versucht, wird sich zeigen. Auch kein leichter Job, aber immerhin bräuchte er sich dann nicht mehr mit der Kritik deutscher Ökonomen und Politiker an seiner Geldpolitik herumschlagen, die ihn verletze – wo er doch "Milliardengewinne" verteile, die auch bei den Bundesbürgern ankämen.

Das QE-Programm der EZB wird also wohl kommen, das würde den Euro weiter schwächen. Käme es nicht, könnte er trotz der schwachen Wirtschaft hier erstarken – zusammen mit den Zinsen auf Staatsanleihen der Länder mit besonders hoher Verschuldung.

Die vorgezogene griechische Parlamentswahl wird vermutlich den Kräften die Mehrheit verschaffen, die richtigerweise sagen, ihr Land könnte die Staatsschulden in Höhe von mehr als 170% des BIP nicht zurückzahlen. Wenn das QE-Programm der EZB kommt, wird das zum Nicht-Ereignis für die “Märkte”.

“Griechenland” und das wahrscheinliche QE-Programm der EZB rufen wieder ins Gedächtnis, dass die Eurokrise alles andere als gelöst ist. Die strukturellen Schwächen der Gemeinschaftswährung sind geblieben trotz oder wegen aller Flickschusterei des Politbüros in Brüssel. Um aus dem Experiment Euro eine Währung zu machen, wären Maßnahmen erforderlich, die gleichermaßen teuer und einschneidend sind. Ein QE-Programm jedenfalls stellt nicht die Lösung dar, es verschafft möglicherweise weitere Zeit, die wahrscheinlich wieder ungenutzt verstreicht.

Die Eurozone steuert geradewegs auf japanische Verhältnisse zu. Die dort heutzutage von Wahnsinn getriebene Wirtschafts- und Finanzpolitik wird dazu führen, dass in einigen Jahren alle japanischen Staatsanleihen bei der BoJ liegen. Da der Anteil der ausländischen Gläubiger des japanischen Staates immer niedrig war und ist, wird es so möglicherweise auch gelingen, die Zinsen dauerhaft tief zu halten.

Vermutlich wird die EZB denselben Weg gehen – mit dem Unterschied, dass der Anteil der ausländischen Gläubiger der Eurozone nicht zu vernachlässigen ist. Ein QE-Programm ebnet aber den Weg in diese Richtung. Aber auch hier zeigt sich: Das angedachte Volumen von einer Billion Euro ist da viel zu wenig.

Das Sorgenkind der Eurozone heißt Frankreich. Hinsichtlich Wettbewerbsfähigkeit liegt es im internationalen Rahmen auf Platz 62 hinter Albanien. Der Staatsanteil am Wirtschaftsleben zählt zu den höchsten in der Eurozone und kann sich auch im internationalen Rahmen sehen lassen.

Je höher der Anteil der Staatsausgaben am BIP, je niedriger ist in aller Regel das Wirtschaftswachstum (Chartquelle). Vielleicht erreicht Frankreich dieses Jahr die 1%-Marke – sicher ist das nicht. Wahrscheinlicher ist, dass das Land in eine Rezession zurückfällt. Ohne QE-Programm der EZB würden die Zinsen auf die Staatsverschuldung dann deutlich anziehen, gegenwärtig liegen die langfristigen Renditen bei 0,8%. Frankreich ist der wichtigste Handelspartner Deutschlands in der Eurozone, einige Politiker und „Analysten“ könnten ein solches QE-Programm als in deutschem Interesse geboten ansehen.

Und so reiht sich mit dem QE-Programm der EZB eine weitere angeblich kurzfristig nötige Maßnahme an die vorhergehenden und in der Summe bleiben die strukturellen Probleme allesamt ungelöst. Die Eurozone bräuchte mindestens zwei „Euros“, wenn nicht drei, um der ungleichen Entwicklung innerhalb dieses Währungsraums Rechnung zu tragen. Auch das würde die strukturellen Probleme nicht lösen, aber sie kämen auf dieser Basis einer Lösung näher. Zumindest in Grenzen würden so Ausgleichsbewegungen über Währungsrelationen möglich, die Last der Anpassung müsste nicht mehr fast ausschließlich von den Arbeitsmärkten getragen werden.

Das QE-Programm der EZB wird ein strukturelles Problem in der Eurozone verstärken – die Staatsverschuldung, die zur Eurokrise wesentlich beigetragen hat, wird weiter zunehmen. Die Ausgaben auf Pump verschaffen zeitweilig Erleichterung, dämpfen kurzfristig rezessive Tendenzen. Aber wie das so ist bei kreditfinanzierten Ausgaben – sie müssen sich als Investition rentieren. Sie haben sich bisher nicht rentiert (sonst hätten wir das Problem der Staatsverschuldung nicht), warum soll das dieses Mal anders sein?

Perspektive Japan: Die Eurozone folgt mit einigen Jahren Verzögerung der Wirtschafts- und Finanzpolitik dort. Es gibt aber noch mindestens einen weiteren Umstand, der Japan von der Eurozone unterscheidet. In Japan gibt es eine Regierung, in der Eurozone 18 (plus Politbüro in Brüssel). Deshalb wird dieser Weg hier nicht ganz so geräuschlos eingeschlagen werden können. Das kann ein Vorteil sein – oder ein Nachteil?

Nachtrag:
(18.1.15) Jetzt beginnt die Gerüchteküche: Es werden Vermutungen herumgereicht, das QE-Programm der EZB könnte wegen der Unsicherheit hinsichtlich Griechenland größer ausfallen als erwartet. Andere wollen wissen, dass das Volumen lediglich bei 500 Mrd. Euro liegen wird, evtl. kombiniert mit einem hybriden Ansatz, bei dem sich die EZB und die Notenbanken der einzelnen Länder gemeinsam engagieren. Wieder andere Beobachter denken, es werde überhaupt keine Größenbeschränkung geben und lediglich darauf verwiesen, dass bereits früher als Ziel für die Bilanzverlängerung der EZB 3 Bill. Euro angegeben wurde. Auch das sei wahrscheinlich zu wenig, um die Inflationsrate wieder in Richtung 2% zu bringen, sagen einige andere "Interessierte".
[1 Bill. Euro entspricht etwa 10% der Staatsanleihen der Eurozone.]

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