SNB gibt den Franken frei

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat den im September 2011 eingeführten Euromindestkurs von 1,20 gegen Schweizer Franken heute um 10:30 aufgehoben. Nach einer turbulenten Reaktion, die bis 0,86 herunterführte, stabilisierte sich das Währungspaar später bei knapp über der Parität. Auch der Dollar hat sich zur Schweizer Währung verbilligt, er stürzte von rund 1,02 Franken kurzfristig bis auf 70 Rappen. Die folgende Erholung führte auf gut 0,86 Rappen.

Damit die monetären Rahmenbedingungen sich nicht zu sehr straffen, werden gleichzeitig die Zinsen deutlich gesenkt. Der Zins der Bankguthaben auf Girokonten, die einen bestimmten Freibetrag übersteigen, sinkt um weitere 0,5% auf -0,75%. Das Zielband für den Leitzins, der Dreimonats-Libor, wird von der SNB weiter in den negativen Bereich auf -1,25% bis -0,25% verschoben. Die SNB hatte bereits im Dezember angekündigt, Negativzinsen einzuführen, und zwar am 22. Januar, dem Tag, an dem die EZB nach den systemmatisch geweckten Erwartungen ein QE-Programm einführen wird.

Die Entscheidung der SNB erfolgte einen Tag nachdem der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs mit kaum zu überbietender Deutlichkeit die Käufe von Staatsanleihen für rechtlich grundsätzlich zulässig erklärt hat. Zur Verhandlung steht das OMT-Programm der EZB. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hatte festgestellt, dass der notfalls unbegrenzte Kauf von Staatsanleihen am Sekundärmarkt durch die EZB eine Umgehung des Verbots monetärer Haushaltsfinanzierung ist und den EuGH angerufen.

Dessen Entscheidung steht zwar noch aus, aber die EZB und die Krisenländer der Eurozone dürften die gestrige Stellungsnahme des Generalanwalts bereits als Blankoscheck für alle denkbaren Kaufprogramme von Staatsanleihen werten. Mit einem neuen Kaufprogramm für Staatsanleihen würden durch die Hintertür Eurobonds eingeführt und die Gemeinschaftshaftung in der Eurozone würde weiter vorangetrieben. Demokratische Legitimation? Fehlanzeige.

Die SNB begründet das Aus für den Euro-Mindestkurs auch mit den Unterschieden in der geldpolitischen Ausrichtung in den bedeutenden Währungsräumen. Diese hätten sich in letzter Zeit markant verstärkt. Der Euro habe gegenüber dem Dollar deutlich abgewertet, dadurch wurde auch der Franken zum Dollar geschwächt, heißt es. Die Aufrechterhaltung des Euro-Mindestkurses sei damit nicht mehr gerechtfertigt.

Um den Mindestkurs durchzusetzen, hatte die SNB wiederholt am Devisenmarkt interveniert und die Devisenbestände zuletzt auf über 500 Mrd. Franken ausgeweitet (das entspricht rund 80% des BIP). Die Aufwertung der Dollar-Anlagen brachte ihr einen Jahresgewinn von 38 Mrd. Franken ein, auf die Euro-Bestände, v.a. deutsche Staatsanleihen, dürften nun signifikante Verluste zukommen. Gerüchteweise ist von rund 70 Mrd. Dollar die Rede.

Die Nationalbank hatte den Mindestkurs eingeführt, weil sie die heimische Exportwirtschaft durch starken Aufwertungsdruck auf den Franken gefährdet sah. Etwa 55% der Exporte der Schweiz gehen in die Eurozone.

Mit der Zinssenkung soll der Effekt der Aufwertung nach Wechselkursfreigabe gedämpft werden. Offenbar haben die Interventionen der zurückliegenden Wochen den vorgesehenen Spielraum überschritten. Schon als die SNB im Dezember per 22. Januar 2015 einen Strafzins von 0,25% auf Einlagen von Banken ankündigte, die um mehr als 10 Mio. Franken über das Mindestreservesoll hinausgehen, waren Zweifel laut geworden, ob die Schweiz auf längere Sicht die Politik der Verteidigung ihres Währungsziels beibehalten wird.

Beobachter führen auch an, dass die Bevölkerung gegenüber dem Aufbau hoher Euro-Fremdwährungsbestände zunehmend skeptisch geworden ist. In diese Kerbe hatte die bei einem Referendum erfolgslose Schweizer Gold-Initiative gehauen.

Die Entscheidung der SNB muss auch dahingehend interpretiert werden, dass sie weiterhin mit starken Zuflüssen rechnet angesichts der anstehenden Wahlen in Griechenland und der mit dem Ölpreisverfall in Zusammenhang stehenden Probleme in Russland. Auch mit der anstehenden Entscheidung der EZB für ein QE-Programm wäre der Druck auf den Mindestkurs verstärkt worden. Und wenn es noch irgendwelche Zweifel gab, dass dieses Programm kommt, so sind die mit der Einlassung des Generalanwalts im OMT-Verfahren beim EuGH hinfällig geworden.

Die Aufwertung des Franken führt zu sinkenden Importpreisen und Druck auf die Inflationsrate. Gleichzeitig wird die Exportwirtschaft belastet. Das wiederum könnte zukünftig wieder etwas Aufwertungsdruck von der Schweizer Währung nehmen.

Nicht zuletzt wegen den getrübten Exportaussichten ist der SMI-Index in der Schweiz stark eingebrochen. Gleichzeitig kamen auch die Aktien in Europa insgesamt zunächst unter deutlichen Druck. Gold stieg stark an. Nach dreieinhalb Stunden hatte sich die Lage bei europäischen Aktien jedoch wieder etwas entspannt, auch die US-Aktien-Futures erholten sich von den intraday-Tiefs, verharrten aber im Minus.

Mit der Entscheidung der SNB beschleunigt sich die Entwicklung des Euro zu einer Carry-Trade-Währung. Umgekehrt beschleunigt sich dadurch die Rückabwicklung von auf Dollar lautenden Carry-Trades.
Wenn die Zinsen allumfassend manipuliert werden, verlagern sich die Anpassungsbewegungen auf Währungsrelationen.

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