2015 – ein paar Gedanken zum Jahresverlauf

Der US-Arbeitsmarkt setzt im Dezember den eingeschlagenen Kurs fort. Es ist der elfte Monat in Folge, dass mehr als 200.000 neue Arbeitsplätze geschaffen wurden. Die Arbeitslosenrate ist auf 5,6% zurückgegangen. Die Erwartungen hinsichtlich der Entwicklung neuer Jobs wurde sogar übertroffen und die Zahl für November nach oben revidiert. So weit, so gut.

US-Aktien-Futures reagierten zunächst positiv auf die Veröffentlichung um 14:30 unserer Zeit, Euro/Dollar schwächte sich weiter ab. Mit Eröffnung des US-Handels drehte sich das Bild allerdings. Die Aktienkurse gaben nach, das Währungspaar begann zu drehen. Um 16:00 unserer Zeit kamen die Zahlen für den Lagerbestand im Großhandel heraus. Der ist im November deutlich stärker gestiegen als erwartet, zudem wurden die Zahlen des Vormonats nach oben revidiert. Der Abwärtsdruck auf Aktien verstärkte sich, der Euro festigte sich gegen Dollar. Offenbar wurden Bedenken hinsichtlich BIP-Entwicklung in Q4 verstärkt, die angesichts der Kursaufschläge der zurückliegenden Tage Gewinnmitnahmen auslösten.

Bei den Arbeitsmarktdaten bestätigt sich noch ein anderer Trend: Der Anteil der neuen Jobs mit unterdurchschnittlicher Entlohnung ist erneut hoch. Im Dezember fallen über 30% der neuen Arbeitsplätze in die niedrigste Lohn-Kategorie (Chartquelle). Die Durchschnittslöhne sinken unerwartet.

Der Effekt solcher Arbeitsplätze auf die Konsumausgaben ist natürlich vergleichsweise gering, das trägt dazu bei, dass die Arbeitsmarktentwicklung nicht so goutiert wird, wie das nach den isolierten Zahlen anzunehmen wäre.

Schaut man sich das große Bild der Arbeitsentwicklung an, so ist festzuhalten, dass vor 2000 der jährliche Zuwachs an Arbeitsplätzen in der Spitze 3,5% erreichte. Seitdem liegt der Deckel bei 2,1%. Der Trend, der vor 2008 herrschte, wird (nie mehr???) erreicht. Mit den Dezemberdaten zeigt sich immerhin eine Beschleunigung des Aufwärtstrends, wie wir auch schon einmal im Mai 2012 und zuvor im ersten Halbjahr 2006 hatten. Die nächsten Zahlen dürften sehr wichtig sein für die langfristige Einschätzung der Entwicklung des Arbeitsmarktes und damit auch für die Einschätzung der US-Wirtschaft insgesamt. Ich bleibe skeptisch…

Beim Arbeitsmarkt setzt das andere große Thema an den Finanzmärkten ein – der Verfall der Ölpreise. Je stärker der Abfall der Energiepreise beim Verbraucher ankommt, je mehr bleibt den Konsumenten, um ihrer vornehmsten Aufgabe nachzukommen. Und das gilt relativ gesehen vor allem für die unteren Einkommensgruppen, wo der Anteil der notwendigen Grundkosten der Lebenshaltung besonders hoch ist. Absolut gesehen ist der Effekt hier aber am geringsten.

Zeitlich passend nahm der Preis für WTI-Öl nach der Veröffentlichung des Lagerbestands im Großhandel denn auch nochmals Fahrt nach unten auf, bevor er im späteren Handelsverlauf zu einer markanten Gegenbewegung ansetzte. Dennoch blieb mit 48,85 Dollar zum Handelsschluss ein erneutes Tages-Minus von über einem Prozent.

Die Talfahrt der Ölpreise dürfte noch nicht zu Ende sein. Unter der Schwelle von 50 Dollar pro Barrel ergibt sich technisch ein Potenzial von bis zu 35 Dollar herunter. Die gegenwärtige Situation ist am ehesten mit der von 1985/1986 zu vergleichen. Auch damals gab es ein massives Überangebot, in dieser Zeit stürzte der Ölpreis um zwei Drittel ab. Berichten zufolge werden immer mehr Supertanker auf Reede gesichtet, die als Zwischenlager dienen, weil viele Ölquellen nicht mal so eben abgestellt werden können. Das Überangebot soll aber auch nicht auf die Märkte kommen, um den Preis nicht noch mehr zu drücken (Chartquelle). (Irgendwann ist die Tankerkapazität erschöpft…)

Die wichtige Rolle, die das Fracking in den USA mittlerweile spielt, zeigt der folgende Chart (Chartquelle).

Die erste Pleite eines (kleinen) Fracking-Unternehmens haben wir schon. Es wird nicht die letzte sein, unterstellt, der Breakeven-Preis für Fracking-Öl liegt bei rund 55 Dollar. So werden die OPEC-Staaten, allen voran Saudi-Arabien den Preis noch für einige Zeit deutlich unter diesem Niveau halten wollen. Der US-Regierung kommt das insofern zupass, als dass es Russland in schwere Bedrängnis bringt. Und auch die Fed klatscht Beifall, weil sie aktuell den konsumstützenden Effekt höher bewertet als die Risiken, die von weiteren Pleiten im Fracking-Sektor ausgehen. Ob die Rechnung am Ende aufgeht, wird sich zeigen. Angesichts des extremen Schuldenniveaus ist die Gefahr groß, dass es schon bei kleinen Anlässen zu heftigen Domino-Effekten kommt.

In einer Welt manipulierter Zinsen verbleibt als Weg der Anpassung vor allem das Feld der Währungen. Genau deshalb entwickelt sich der Dollar so stark. Die Zinsniveaus sind hüben und drüben des Atlantiks nahe Null. Die Erwartungen für den US-Leitzins liegen per Ende des Jahres bei 0,5%, das ist wenig in Anbetracht eines Wachstums von zuletzt real durchschnittlich 3%. Aber selbst wenn diese Erwartung tatsächlich eintreten sollte, liegt das Augenmerk auf den völlig unterschiedlichen Rahmenbedingungen für die Fed und die EZB. Während die Fed die US-Wirtschaft über den Berg wähnt, sieht sich die EZB der Herausforderung gegenüber, das Schuldenproblem der Eurozone zu lösen. Dazu muss v.a. die Inflationserwartung hochgeschraubt werden. Das wiederum geht (wenn überhaupt) nur so, dass sie die Erwartungen einer noch sehr lange andauernden extrem expansiven Geldpolitik festigt. Das macht den Euro zu einer Carry-Trade-Währung, ausländische Investoren verschulden sich hier und schaffen das Geld außer Landes. Schon gibt es erste Stimmen, die den Euro in Richtung Parität zum Dollar rutschen sehen, wie z.B. Peter Schottmüller, Leiter Rentenfonds International/Emerging Markets der Deka. Zunächst nimmt Euro/Dollar den Pegel von 1,17 aufs Korn, wie er im November 2006 erreicht und zeitweilig unterschritten wurde.

Ich kann mir gut vorstellen, dass ein erheblicher Teil der Verschuldung in den Emerging Markets, die gegenwärtig auf Dollar lautet, in diesem Zuge auf Euro umgeschuldet (worden ist) und weiter werden wird. Ein ETF auf Emerging Market Anleihen in Euro laviert erneut an einem Allzeit-Hoch herum, der Kurs läuft seit 2009 in einem breiten Aufwärtskanal. Im Mai 2013 kam zeitweilige Schwäche auf, als die Fed zum ersten Mal deutlicher davon sprach, dass die Zinsen auch mal wieder steigen könnten. Aktuell zeigt die technische Auswertung eine volatile Seitwärtsbewegung auf hohem Niveau, aus der heraus es in Kürze rasant in die eine oder Richtung gehen dürfte.

Die EZB wird mit einer reinrassigen QE-Maßnahme à la Fed nicht weit kommen. Denn mittlerweile hat sich herumgesprochen, dass das selbst in den USA nicht zu der anfänglich erwarteten starken Inflation geführt hat. Ich erinnere mich noch gut, wie die Gazetten vor Jahren voll von Hyperinflation und von Gold = 5000 waren.

Die EZB muss ihr Programm vielmehr so ausgestalten, dass sie Anleihen vor allem von nicht-Banken kauft, weil der Weg des Geldes in die Realwirtschaft so direkter ist. Ob das Geld dann auch wirklich da ankommt oder doch lieber in scheinbar risikolose Aktien investiert wird, steht auf einem anderen Blatt…

Von der Zinswende wird schon länger nicht mehr geredet, alle Welt scheint sich damit abzufinden, dass die Zinsen immer weiter sinken. Und wenn Null erreicht wird, dann geht es eben auf negativem Terrain weiter, so scheint zumindest die Stimmung. EZB und SNB haben ja schon negative Verzinsung für Zentralbankeinlagen eingeführt. Damit die Zinsen aber auf breiter Front negativ werden, müsste das Bargeld abgeschafft werden – so schnell wird das nicht gehen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Zinsen allmählich einen Boden findet, erscheint mir demgegenüber höher – und zwar insbesondere dann, wenn der Verfall der Ölpreise ausläuft und damit im landläufigen Verständnis auch ein Boden in der Preisentwicklung vermutet wird. Dann könnten sich die Wetten auf steigende Zinsen schnell beschleunigen.

Steigende Zinsen gefährden jedoch vor allem schwache Schuldner, erst recht dann, wenn das Wirtschaftswachstum nicht hinterherkommt. Die Risiken für ein solches Szenario sind insbesondere in der Eurozone hoch. Auch das spricht dafür, dass der Euro unter Druck bleiben dürfte.

Angesichts der extremen Verschuldungssituation rechne ich damit, dass die Finanzkrise, insbesondere in Gestalt der Eurokrise, wieder aus der Versenkung auftaucht. Das braucht einen Katalysator, Griechenland wird es wohl eher nicht sein. Vielleicht England? In diese Richtung gehen die Gedanken von Niels C. Jensen in seinem aktuellen Newsletter.

Ich kann mir gut vorstellen, dass wir im ersten Quartal noch einigermassen durchkommen und sich auch die hier erwartete Entwicklung bei Aktien umsetzt. Aber dann dürfte es sehr spannend werden. Ob das dem Preis für Edelmetalle auf die Sprünge hilft? Das soll in einem separaten Artikel Thema sein.

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