Eurozone: Eine schwache Woche

Die EZB hat auf ihrer Sitzung vom Donnerstag dieser Woche keine weiteren „unkonventionellen Maßnahmen“ vorgestellt. Darauf hatten einige Akteure wohl gehofft, nachdem die Inflationsrate in der Eurozone im September nach vorläufiger Schätzung auf 0,3% erneut schwächer hereinkam. Dazu kam es nicht, auch die Leitzinsen blieben unverändert. Europäische Aktien tauchten im Zuge der Pressekonferenz der EZB deutlich ab, während US-Aktien nach volatilem Handel behauptet schlossen.

EZB-Chef Draghi hat die jüngsten Beschlüsse seiner Bad Bank erläutert. Demnach will die EZB mindestens zwei Jahre lang Banken einfache und transparente ABS-Kreditpakete (Asset Backed Securities, „ABS“) abkaufen. Der Kauf soll im vierten Quartal dieses Jahres beginnen, der Kauf von als sicher geltenden Pfandbriefen (Covered Bonds) soll in der zweiten Oktoberhälfte starten. Von vorneherein sollen auch griechische und zyprische ABS-Papiere gekauft werden, selbst wenn sie die Rating-Anforderungen von BBB- nicht erfüllen. Diese gelten als Schrottpapiere.

Die EZB will mit dem Programm den Geschäftsbanken Spielraum für neue Kredite verschaffen. Das soll die Inflation ankurbeln. Das Volumen der ABS-Käufe wird eine dreistellige Milliarden-Höhe erreichen. Draghi sprach davon, dass der Markt für solche Konstruktionen, die bei der Verschärfung der Finanzkrise 2008 eine wichtige Rolle gespielt haben, bis zu einer Billion Euro groß ist. Eine Richtgröße sei die Ausweitung der EZB-Bilanzsumme bis auf das Niveau von Anfang 2012, heißt es. Damit gilt als Richtschnur 2,5 bis knapp über 3 Billionen Euro – gegenüber dem aktuellen Stand von gut 2 Bill. Euro ergibt sich somit ein Volumen von 500 bis 1000 Mrd. Euro.

Zur Ursache der niedrigen Inflationsrate sagte Draghi, weder die Verbilligung von Öl und Nahrungsmitteln, noch die Euro-Stärke seien hierfür verantwortlich. Diese Trends seien gestoppt, jetzt müsse die Arbeitslosigkeit als Grund ins Visier genommen werden.

Die Überzeugung, dass diese neuerlichen, milliardenschweren Geldspritzen der EZB das bewirken, was sie vorgeblich sollen, hält sich in Grenzen. Vielfach wird darauf hingewiesen, dass das dauerhaft niedrige Zinsniveau das Kreditgeschäft für die Banken uninteressant macht. Hinzu kommt, dass die Nachfrage nach Krediten gering ist. KfW-Chefvolkswirt Zeuner sagte dazu kürzlich: „Auch wenn das Kreditangebot noch so ausgezeichnet ist und die Zinsen auf niedrigem Niveau verharren: Die Unternehmen fragen nur wenig Kredite nach.“

So wird denn auch darauf verwiesen, dass die wahrscheinlichste (und beabsichtigte) Wirkung des ABS-Programms über die Verlängerung der EZB-Bilanz auf eine Schwächung des Euro hinausläuft. Dies soll die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen der Eurozone stärken und so aus der wirtschaftlichen Talfahrt herausführen.

Die EZB scheint sich im Vorfeld der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ziemlich sicher zu sein, dass sie mit ihrer immer stärker wirtschaftspolitisch geprägten Linie durchkommt. Der EuGH will am 14. Oktober über das OMT-Programm der EZB urteilen. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hatte die Frage, ob dieses Programm gegen das EZB-Mandat verstößt, an den EuGH verwiesen. Gleichzeitig hatten die Karlsruher Richter jedoch gesagt, dass sie darin eine verbotene, gegen EU-Verträge und Grundgesetz verstossende Staatsfinanzierung sehen. Sie haben sich ein entsprechendes Urteil vorbehalten, sollte der EuGH das Programm unverändert durchwinken.

Vielleicht ist es aber auch nicht Sicherheit, die aus dem Vorgehen der EZB spricht, womöglich ist sie nicht Herr der Lage, sondern Getriebene der Verhältnisse. Ende Oktober wird das Ergebnis ihres Asset Quality Review (AQR) bekanntgegeben. Dieser Stress-Test der 128 größten Banken der Eurozone dürfte deutliche Risiken im Finanzsystem aufdecken. Diese Risiken sollen insbesondere mit dem ABS-Programm auf die EZB und damit letztlich auf den Steuerzahler verschoben werden.

Das ZEW hat hierzu kürzlich in einer eigenen Untersuchung festgestellt, dass schon ein Absacken der Börsenkurse um 10% eine Kapitallücke von über 150 Mrd. Euro reißen würde – bezogen auf eine risikogewichtete Kapitalquote von 8%, wie sie die EZB zur Messlatte macht. Legt man die Leverage Ratio zugrunde, die das Eigenkapital ins Verhältnis zur gesamten Bilanzsumme setzt, so ergibt sich bei einer nach Basel III vorgesehenen Mindestmarke von 3%, dass alleine deutsche Banken eine Kapitallücke von 66 Mrd. Euro aufweisen. Die von der EZB nicht berücksichtigte Leverage Ratio gilt als besserer Indikator für die Fragilität von Banken als die risikogewichtete Kapitalquote. Er vermeidet (dehnbare) Bewertungsspielräume, die bei der Risikogewichtung möglich sind.

Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) bezieht sich auf das hohe Niveau an ausfallgefährdeten Krediten insbesondere in den Bank-Bilanzen südeuropäischer Krisenländer. Schon Ende 2012 hätten die Problemkredite ein Volumen von 876 Mrd. Euro erreicht, heißt es. Sie dürften im vergangenen Jahr weiter gestiegen sein.

Marco Onado, Professor an der Universität Mailand und früher Mitglied der Kommission zur Regulierung der italienischen Finanzmärkte, kommt zu dem Schluss, dass die europäischen Banken bis jetzt lediglich einige kleinere Anpassungen vorgenommen haben und fundamentalen Umbrüchen der regulatorischen Rahmenbedingungen harten Widerstand entgegen setzen. Das könne aber nur funktionieren, wenn die Finanzmärkte eine Kapitalquote von lediglich 3% als sicheren Level ansehen und Bankinvestoren gleichzeitig geringere Erträge akzeptieren. Beides zusammen widerspricht sich – je höher das Geschäft gehebelt ist, je höher müssten die verlangten Risikoaufschläge sein.

Die Überschussliquidität der Banken in der Eurozone ist auf relativ niedrigem Niveau. Ein niedriger Wert zeigt, dass sie im Falle einer Finanzkrise wenig Manövrierspielraum haben und sich somit die Gefahr erhöht, dass sich im Falle sinkender Asset-Preise eine panische Abwärtsspirale auftut.

Ganz anders sieht es in den USA aus. Hier kommen die Überschussreserven des Bankensystems (rote Linie) auf 2,68 Bill. Dollar, die Fed-Bilanz (blaue Linie) ist seit Herbst 2008 von 0,93 auf 4,46 Bill. Dollar verlängert worden. Nebenbei gesagt, zeigt das auch, dass seit Herbst 2008 rund 0,85 Bill. Dollar an neuem Geld in das Bankensystem geflossen ist (4,46-0,93-2,68) (h/t Incrediblecharts).

Auch aus dieser Sicht wird verständlich, dass sich die europäischen Finanzmärkte gegenwärtig in schwächerer Verfassung zeigen als die in den USA. Allerdings wachsen auch jenseits des Atlantiks die Bäume nicht (mehr) in den Himmel. Seit Ende Juni ist der Spread von high-yield Unternehmensanleihen zur Rendite zehnjähriger Staatsanleihen um 100 Basispunkte angestiegen. Dies offenbart eine steigende Risikoaversion gegen riskante Unternehmensanleihen. Diese schlägt sich auch sehr deutlich im kurzfrigen Verlauf des S&P 500 nieder: Markante Aufwärtbewegungen im Spread fallen zusammen mit Abwärtsbewegungen bei Aktien (und umgekehrt).

Der US-Dollar-Index erstarkt seit nunmehr mehr als 12 Wochen. Tom McClellan weist auf die mittlerweile hohe Netto-Short-Position der "Commercials" bezogen auf den Dollar hin. Sie ist so hoch wie im Juli 2012 und im Juli 2013. Damals war der Dollar-Index gegen die obere Grenze seiner Seitwärtsspanne bei 74 gelaufen und wieder zurückgekippt. Aktuell läuft er auf eine wichtige Widerstandszone bei 87/88 zu. Das Spiegelbild ergibt sich beim Euro.

Es liegt nahe, dass der Niedergang des Euro gegen Dollar in Kürze zumindest pausieren wird – wobei der Pegel von 1,20 im Euro/Dollar bereits "verführerisch" nahe liegt. Aktuell notiert das Währungspaar bei 1,25, auch das ist ein durchaus tragfähiger Pegel für eine Gegenreaktion. Die Stärke einer Gegenreaktion dürfte Einblick geben, wie viel von der bullischen Verfassung der großen Akteure über den Tag hinaus noch übrig ist.

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