S&P 500: Kursziel 2.250?

In seinem Quartalsbrief für Q3/2013 beschäftigte sich Jeremy Grantham, GMO, mit der Frage, wie viel der S&P 500 noch an Kurssteigerungen vor sich hat. Damals erwartete er, dass Aktien vor einem Crash noch 20 bis 30% steigen.

Im aktuellen Quartalsbericht hält Grantham an diesem Szenario fest. Der Bull-Markt könnte zwar jederzeit zu Ende gehen, vielleicht hat er das jetzt schon getan, schreibt er. Er könnte durch enttäuschendes globales Wachstum aus der Bahn geworfen werden, durch sinkende Gewinne, wenn Defizite reduziert werden, durch eine russische Fehlkalkulation – vielleicht aber auch, gleichzeitig besonders gefährlich und nicht unwahrscheinlich, durch einen extremen Abschwung in China.

Aber Grantham hält es insgesamt für wahrscheinlicher, dass der Bull-Markt erst in ein oder sogar zwei Jahren sein Ende findet und wohl auch nicht, bevor der S&P 500 einen Stand von 2.250 erreicht oder sogar überschritten hat. Dann aber, vorsorglich schon vorher, sollten kluge Langzeit-Investoren einmal mehr ihre Disziplin unter Beweis stellen und sich auf einen Rückzug einstellen.

Er betont, es sage nicht, dieses Mal sei es anders. Es werde wiederum schlimm enden. Aber unter dem gegenwärtigen Regime der Fed und eingedenk des hohen Masses an Übertreibung bei früheren Markt-Topps, wäre es heute anders, wenn dieser Bull-Markt schon jetzt endet.

Das Stichwort „dieses Mal ist alles anders“ greift Edward Chancellor auf, Finanzhistoriker und Investment-Stratege bei GMO. Diese Mentalität käme immer dann auf, wenn die Märkte in eine Übertreibungsphase eintreten. So hatte man z.B. in den 1990er Jahren vor dem Crash der Dotcom-Blase geglaubt, dass ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat, der hohe Bewertungen rechtfertigt. Heute werde davon gesprochen, dass die Unternehmensgewinne ein dauerhaft hohes Plateau erreicht haben.

Neben diesem Merkmal nennt er sieben weitere, an denen sich erkennen lässt, dass die Märkte in einer Blase sind. Das zweite hat mit „moral hazard“ zu tun. Die Akteure an den Märkten würden sich darauf verlassen, dass die Zentralbanken mit weiterem billigen Geld alle neuen Probleme hinwegschwemmen. Das dritte Merkmal ist mit dem zweiten verwandt: Spekulationsblasen waren stets von einer längeren Phase tiefer Zinsen begleitet. Seit dem Ausbruch der Finanzkrise halten die Zentralbanken die Zinsen niedrig, weil sie die Wirtschaft damit zu kurieren glauben.

Das vierte Indiz betrifft aufgeblasene Wachstumsgeschichten. Was bei der Dotcom-Blase zu beobachten war, zeigt sich auch jetzt wieder bei den Sozial-Media-, Biotech- und Internet-Aktien. Das fünfte Kriterium bezieht sich auf das Fehlen von Bewertungsmaßstäben. Wachstum wird über Profitabilität gestellt, so wie es jetzt z.B. bei Facebook und Twitter zu beobachten ist. Amazon steht stellvertretend für viele am Pranger – die Aktie stieg in 2013 um fast 60%, obwohl die Margen in den zurückliegenden Jahren zurückgegangen sind.

In einer Blasenbildungsphase steigen die Preise für Luxusgüter, sie werden durch das leicht verdiente Geld an den Börsen angetrieben. Ein Hinweis auf die Existenz dieser sechsten Bedingung ist z.B., dass kürzlich ein Bild von Francis Bacon bei einer Auktion 142 Mio. Dollar erzielt hat, den höchsten jemals gezahlten Preis für ein Gemälde.

In Blasen sinken die Kredit-Standards – z.B. in der Subprime-Krise. Chancellor zeigt, dass die Qualität der neu ausgegebenen Anleihen abnimmt. Zwei Drittel erreichten in den USA nur noch Junk-Niveau. Damit ist das siebte Kriterium, die Ponzi-Finanzierung, erfüllt.

Viele Unternehmens-Bewertungen sind im vergangenen Jahr stark gedehnt worden. Bei IPOs legen die Kurse in den ersten Tagen bereits kräftig zu, obwohl viele dieser Firmen keinen soliden Umsatz vorweisen. Solche irrationale Übertreibungen, das achte Indiz ist nach Chancellor der sicherste Hinweis auf überbordende Spekulation.

Chancellor zeigt anhand eines GMO-privaten kombinierten Sentimentindikators, dass das Sentiment den Pegel der „Irrational Exuberance“ bei knapp zwei Standardabweichungen erreicht hat – wie zuletzt 2007.

1997 und 1998, sowie im Jahr 2000 war dieser Pegel deutlich und nachhaltig überschritten worden. Es gibt keine Garantie, dass dies nicht wieder geschieht.

Eine Bedingung für eine voll ausgewachsene Marktblase fehlt, schreibt Chancellor: Große Blasen gehen mit starkem Kreditwachstum einher. Zwar hat die Kreditqualität abgenommen, aber das Wachstum der privaten Kredite bleibt gering. Die Abflachung der Zinsstruktur war historisch immer das verlässlichste Indiz dafür, dass ein Kreditzyklus zu Ende geht. Momentan aber ist die US-Zinsstruktur bullisch-steil. Damit scheint der Kreditzyklus noch nicht nahe an einem Topp zu sein und es ist gut möglich, dass die Fed eine ausgewachsene Aktienblase zulässt – trotz aller gegenteiligen Beteuerungen von Fed-Chefin Yellen, schließt Chancellor.

Die Entwicklung des US-Kreditmarktes zeigt der folgende Chart (kleines Bild unten). Gegenwärtig wächst er um jährlich 3,5%. Im September 2000 und Anfang 2008 hatte das Wachstum mit jeweils rund 13% eine Spitze ausgebildet. Die Aktien-Topps waren jeweils kurz vorher erreicht worden.

Nähme man das Wachstum des Kreditmarktes als alleiniges Indiz für das Entwickeln einer Aktienblase, so wäre noch viel Raum, selbst wenn man nur die 10% jährliche Steigerung nähme, die der Aktienkorrektur im Zuge der Rezession 1990/1991 vorangegangen ist.

Mit der Abflachung der Zinsstruktur würden Kredite teurer, durch einen schrumpfenden Kreditmarkt würde die Wirtschaftsaktivität gebremst. Eine solche Straffungsphase wird gewöhnlich durch eine Annäherung der kurzfristigen Zinsen an das Niveau des nominalen BIP-Wachstums eingeleitet. Davon kann zur Zeit noch keine Rede sein.

Die Ukraine-Krise wird für die Finanzmärkte allmählich "langweilig". Vermutlich dürfte selbst die Perspektive einer Abspaltung gewisser Teile im Osten des Landes mittelfristig nicht mehr besonders verschrecken. Der Fokus liegt in den USA nun eher darauf, die Erwartungen eines Rückpralls von der schwachen BIP-Entwicklung in Q1, die dem kalten Wetter zugeschrieben wird, in steigende Kurse umzusetzen. Dementprechend spielen jetzt Makrodaten eine wichtige Rolle, nachdem nun auch die Quartalssaison nicht mehr viel zu bieten hat. Der gestrige Ausbruch des S&P 500 ist in diesem Sinne ein bullisches Signal – die Frage bleibt, wie nachhaltig er ist. Das gilt insbesondere deshalb, weil der VIX gleichzeitig bereits sehr tief notiert

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