Aktien: Bull-Run vorbei?

Mit Auslaufen des Performance-Drucks zum Quartalsende, dem sogenannten Window-Dressing, verstärkt sich der Druck auf die Aktienkurse. Für die angelaufene Quartalssaison hegen die Akteure geringe Erwartungen an die Gewinnentwicklung der Unternehmen. Das stellt das hohe Kursniveau zusätzlich zu anderen Faktoren in Frage.

Bereits Ende März, verschärft aber mit Beginn des neuen Quartals sind Momentum-Aktien unter Druck gekommen. Biotech- und Internet-Werte waren in der Vergangenheit in luftige Bewertungen getrieben worden. Im US-Biotech-Index BTK zeigte sich zuletzt eine typische Fahnenstange, seit Ende 2013 hatten die Kurse beschleunigt zugelegt. Eine ähnliche Entwicklung ist seit Jahresmitte 2013 auch im Nasdaq Composite zu beobachten.

Ich hatte hier Ursachen für Blasenbildung an den Finanzmärkten analysiert und darauf aufbauend hier drei Kriterien entwickelt, Blasen zu erkennen und zu bewerten.

  • Da ist zum einen die Bewertung von Aktien. Als Vergleichsmaßstab verwende ich einen Regressionskanal über mehr als hundert Jahre Entwicklung des Kurs-Gewinn-Verhältnisses im S&P 500. Man kommt demnach auf eine Überbewertung von aktuell rund 25%. Das ist zwar kein extremer Wert, bei dem man mehr oder weniger von jetzt auf gleich mit einer Korrektur rechnen müsste. Aber hier kommt die Zukunft ins Spiel, nämlich die Frage, wie es mit der Gewinnentwicklung weiter geht.

    Die Erwartungen für das erste Quartal liegen aktuell bei gut einem Prozent Gewinnsteigerung gegenüber dem Vorjahr. Zu Jahresbeginn waren es noch 6,5%. Per Jahresende wird mit plus 19% gerechnet. Dieser Wert dürfte angesichts der Spielräume, die noch bestehen, deutlich zu hoch angesetzt sein, wie u.a. hier diskutiert wird. Daraus resultiert hohes Entäuschungspotenzial, was angesichts des erreichten Bewertungsniveaus deutliches Rückschlagspotenzial bei den Kursen generiert.

  • Ein zweites Kriterium betrifft die Inter-Segment-Korrelation. Hierbei wird untersucht, wie stark der Gleichlauf zwischen den verschiedenen Asset-Klassen und –Segmenten ausgeprägt ist. Wenn er hoch ist, erscheint eine Kontraktionsbewegung an den Finanzmärkten besonders wahrscheinlich. Die Auswertung zeigt aktuell ein vergleichbares Bild wie Mitte April 2010 oder Mitte Februar 2011. In beiden Fällen kam es in der Folge zu deutlichen Kursverlusten. So lange der Gleichlauf im langfristigen Fenster aber noch keine kritisch hohen Werte erreicht hat (vgl etwa 12.10.07), ist ein grundsätzlicher Paradigmenwechsel (langfristiger Boden oder langfristiges Topp) noch weniger wahrscheinlich.

  • Das dritte Kriterium betrifft die Gestalt des Kursverlaufs des S&P 500. Wir hatten die dahinter stehenden Überlegungen hier diskutiert. Die dort vorgestellte Entwicklung ist mittlerweile weiter fortgeschritten, der Kurs bewegt sich weiter im chaotischen Bereich, wie die Entwicklung der Linearität (rote Linie am oberen Chart-Rand) zeigt. Der Kurs liegt 45% über dem langfristigen Mittelwert (SMA72 month), der etwa der Länge eines durchschnittlichen Konjunkturzyklus entspricht. Verglichen mit Ende 2007 hat sich der Kurs damit deutlich stärker über diese Signallinie erhoben. Das ist allerdings kein Vergleich zu den 60%, die 2000 erreicht wurden.

  • Ein viertes Kriterium: Die Investmentlegende Bob Farrell hat einmal gesagt, Märkte tendieren langfristig zur Mitte. Der langfristige Marktverlauf ist wie ein Gummiband – wird es stark in eine Richtung ausgelenkt, schwingt es nach dem Loslassen in die andere. Übertreibungen in die eine Richtung führen zu Übertreibungen in die andere.

    In dieser Aussage steckt einerseits die Behauptung, Märkte kehren stets zur Mitte zurück, wobei „Mitte“ nicht notwendigerweise ein gleichbleibender, statischer Pegel ist. Andererseits wird mit dem Hinweis auf Über- und Untertreibungen eine gewisse preisliche und zeitliche Symmetrie unterstellt. Märkte neigen wie jede soziale Veranstaltung zur Symmetrie und zur Wiederholung.

    Als Gummiband kommt eine lineare Regression über den Kursverlauf in Betracht. Das wäre aus Sicht über einen Kurszyklus die Regression seit Oktober 2007 (aktuell bei rund 1600 – siehe Chart des S&P 500, der täglich auf der Startseite aktualisiert wird) oder bei langfristigerer Sicht die im vorherigen Chart grün-gestrichelt gezeigte Regressionsgerade (aktuell bei rund 1400). Als ersten Anlaufpunkt einer Korrektur wäre aus meiner Sicht daher der Bereich um 1600 zu nennen. Kommt es zu einem symmetrischen Unterschwinger, läge das Potenzial zunächst bei rund 1350.

Die Frage aller Fragen: Wann setzt eine Korrektur an den Aktienmärkten ein? Die Bedingungen hierfür scheinen mir reif zu sein, allerdings dürften die großen Akteure an den Aktienmärkten angesichts der starken und nachhaltigen Akkumulation seit mindestens Mitte 2012 ein gesteigertes Interesse daran haben, die Kurse noch einige Zeit mehr oder weniger auf dem erreichten Niveau dahin zu schaukeln. Im vorangegangenen Aktienzyklus dauerte die Topp-Bildungs-Phase von Mitte 2007 bis zum darauffolgenden Jahreswechsel. Denselben Zeitraum, wenn nicht mehr, sollte man auch jetzt veranschlagen. Natürlich kann eine solche „Planung“ gehörig durcheinander kommen, wenn es einen (externen) Schock gibt. In diesem Sinne muss man die Ukraine-Krise im Auge behalten, sie könnte den Grundstein hierzu legen.

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