Italien: Neue Regierung vor Mammut-Aufgabe

Regierungswechsel in Italien: Der künftige Premierminister Renzi muss die Wirtschaft Italiens flott bekommen, er ist in einer ähnlichen, wenn nicht schwierigeren Lage wie sein Kollege Hollande in Frankreich.

Große Worte kann der Neue schon: Er spricht von einer neue Phase, ein "radikales Programm" müsse her. Renzi wird einige Tage brauchen für die Regierungsbildung. Seine Koalition verfügt im Senat nur über eine kleine Mehrheit. Wenn er bis 2018 durchhalten will, braucht er weitere Verbündete.

Eine der wichtigsten Aufgaben für Renzi ist, einen Finanzminister zu bestimmen. Nimmt er einen Volkswirt, spräche das eher dafür, dass er einen Kurs von Budget-Disziplin verfolgt. Der scheidende Finanzminister Saccomanni hatte deutlich gemacht, dass die 3%-Regel unbedingt weiter befolgt werden soll, anderenfalls würden die Schulden ausufern. Der Fiskalpakt sollte nicht gebrochen werden – wollte man ihn aber ändern, sei eine Einheitsfront von Mitgliedsländern erforderlich, so Saccomani. Verfolgt Renzi einen solchen Konfrontations-Kurs, so müsste dieser eher von einem Politiker als Finanzminister getragen werden. Insofern signalisiert die Personalie sehr deutlich, was Renzi im Sinn hat.

Zusätzliche Brisanz und zeitlichen Druck erhält die Regierungsbildung in Italien dadurch, dass ab Donnerstag die G20 zu einem Treffen in Sydney zusammenkommen. Italien befindet sich wie auch Frankreich auf abschüssigem Kurs. Italien und Frankreich müssen aus eigener Kraft wettbewerbsfähig werden, ansonsten ist der Bestand der Währungsunion in Gefahr. Denn beide Länder sind zu groß, um sie mit einem der gewohnten Rettungsprogramme zu halten. Sie stellen zusammen fast 40% des BIPs der Eurozone und haben Staatsschulden von vier Bill. Euro angehäuft. Ein paar deutsche Zugeständnisse hinsichtlich Transferunion helfen da ebenso wenig wie weitere geldpolitische Lockerungen der EZB.

Frankreich steht auf einem schwachen Fundament, das von Italien zeigt deutliche Risse.

Das jährliche BIP-Wachstum von Italien verläuft aktuell bei minus 0,8%, der langfristige Trend ist abwärts gerichtet.

Die Staatsschuldenquote ist in den zurückliegenden fünf Jahren angestiegen und kommt per 2013 auf 127%. Sie lag zumindest seit 2000 nie unter 100%.

Die Staatsausgaben sind seit ihrem Hoch Ende 2009 etwas zurückgekommen, zuletzt aber wieder angestiegen.

Die Arbeitslosenquote liegt bei 12,7% – die Jugendarbeitslosigkeit kommt auf 41,6%.

Die Leistungsbilanz ist seit 2000 begativ. Nach einem Rekordtief von minus 3,5% des BIP hat sie sich per 2013 auf minus 0,7% verbessert.

Die Industrieproduktion hat im Frühjahr 2012 mit minus knapp 10% im Jahresvergleich ein Tief markiert. Aktuell liegt die Steigerungsrate bei minus 0,7%.

Das Geschäftsklima folgt dem Verlauf des Industrieproduktion, es hat sich in den zurückliegenden zehn Monaten verbessert und liegt jetzt knapp im mittleren Bereich.

Der Verlauf des Auftragseingangs zeigt seit fast drei Jahren volatil abwärts – das kontrastiert mit dem Geschäftsklima.

Das Konsumentenvertrauen hat sich in den zurückliegen 8 Monaten erholt und liegt mit 98 in einem mittleren Bereich. Die Verbraucherausgaben sinken seit Anfang 2011 kontinuierlich.

Die Lohnstückkosten steigen in Italien stetig weiter an, sie liegen jetzt bei 145 Indexpunkten und damit im europäischen Vergleich am höchsten. Es folgt Frankreich mit 134 Punkten. Zum Vergleich: Deutschland kommt auf 115 Indexpunkte.

Bei Italien sticht die besonders hohe Staatsschuldenquote heraus. Italien hat ein schlechteres Rating als Frankreich, u.a. weil die Solvenz des Bankensektors schlechter beurteilt. Die Auslandsschulden liegen bei über 55%, das Land ist damit stark von ausländischen Geldgebern abhängig. Vor Beginn der Krise lag der Wert noch bei 40%. Gleichzeitig übertrifft die Arbeitslosenquote die von Frankreich. Im Bericht des World Economic Forum kommt Italien auf Platz 49 der Wettbewerbs-Vergleichsskala, sieben Ränge schlechter als im Vorjahr. In den zurückliegenden fünf Jahren hat das Land fast ein Viertel seiner Weltmarktanteile verloren.

Zu der wirtschaftlich problematischen Lage kontrastiert der Verlauf der Zinsen für Staatsanleihen. Sie liegen aktuell bei rund 3,7% in einem historisch tiefen Bereich. (Zum Vergleich: Deutschland kommt auf 1,7%.) Hier wirkt immer noch das vollmundige Versprechen von EZB-Draghi vom Juli 2012, alles zu tun, was nötig ist, um den Euro zu retten. In diesem Zusammenhang wurde das OMT-Programm geschaffen, das das BVG kürzlich für rechtswidrig erachtet hat. Der Fall wird nun vor dem EuGH verhandelt. Das OMT-Programm wurde bis heute nicht aktiviert – es wirkt aufgrund seiner blossen Existenz. Ob das noch lange so bleibt?

Nachtrag:
(20.2.14) Der italienische Schuldenberg ist im Jahr 2013 um 78 Mrd. Euro 2,07 Bill. Euro angewachsen. Die Staatsverschuldung liegt bei fast 133% des BIP, das ist der höchste Stand seit 1924.
(24.2.14) Italien hat eine neue Regierung. Wolfgang Münchau, Eurointelligence, kommentiert treffend: „Oh dear. (Übersetzung von mir) Die erste Ankündigung aus Rom ist, dass die Renzi-Administration die Wirtschaftspolitik der alten Letta-Adminitration fortführen wird. Sie suchen keine makroökonomische Neujustierung und versuchen, sich selbst vom Nullwachstum wegzuheben indem sie kleine Gelbeträge von einem Teil der Wirtschaft zu einem anderen verschieben. (…) Hinter dem Sarkozy-mäßigen ‘bimm-bimm” sieht alles deprimierend konventionell aus.” Der neue Finanzminister, Pier Carlo Padoan, ist der vierte Technokrat in Folge.

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