Verrückte Welt…

Wir leben in verrückten Zeiten. Wir leben leider auch in Zeiten, die die große Mehrheit der Bevölkerung immer weniger teilhaben lässt am gesamtgesellschaftlichen Reichtum – siehe z.B. die Studie von Oxfam zur Einkommensverteilung.

Ein besonders prägnantes Beispiel hierfür ist die unglaubliche Geschichte von Lambros Moustakis (KT Greece via Eurointelligence). Der Mann, 52 Jahre alt, ohne Wohnung und Arbeit in Athen, bezeichnet sie selbst als „tragikomisch“.

Er wurde in Brasilien als Sohn griechischer Eltern geboren und fand in Argentinien einen Job in der Fleischindustrie. Bis der IWF kam, das Land “rettete”, nur seinen Job nicht. Also ging er nach Brasilien, arbeitete im Bauwesen. Der IWF folgte ihm. Sein Job allerdings überlebte die „Rettung“ des Landes durch den IWF nicht.

Er konnte keinen neuen finden und entschloss sich dann, in das Land seiner Vorväter zurückzukehren. Das war 1997 und er fand sofort Anstellung in der Tourismus-Branche. Bis er den damaligen Regierungschef Papandreou vom IWF und seinen Rettungs-Mechanismen reden hörte. Da wusste er, was die Stunde geschlagen hatte. Er verlor seinen Job, dann seine Wohnung und schlief im Park. Nun hat er einen Platz in einem Solidaritäts-Zentrum in Athen gefunden. Will er demnächst nach Deutschland gehen? (Oh, no!…)

Ein Einzelfall? Mag sein, aber einer, der ein bezeichnendes, grelles Licht wirft auf die heutige Realtität.

Das nächste verrückte Beispiel kommt von Sven Giegold, Europa-Parlamentarier der Grünen. Das Schaubild zeigt, wie künftig Banken in der Eurozone abgewickelt, bzw. restrukturiert werden sollen.

Wir hatten uns des öfteren mit diesem Thema beschäftigt – siehe z.B. hier! Das Bankensystem der Eurozone ist überdimensioniert, es steht im internationalen Vergleich auf besonders wackeligen Füßen – siehe z.B. hier!

Es ist im Interesse einer funktionierenden Realwirtschaft, wenn dem abgeholfen wird. Dazu ist allerdings ein einfacher und fairer Mechanismus erforderlich. Was sich die EU-Bonzen in Brüssel ausgedacht haben, erfüllt diesen Anspruch nicht. Es nutzt im Endeffekt dem Bankensystem in der Eurozone, weil es den Status quo erhält und dafür sorgt, dass es eines Tages wieder heißen wird : „Too big to fail.“ Ein weiteres Mal werden dem Steuerzahler dann die Folgen der eingegangenen, nicht angemessenen Risiken auf die Schultern gelegt. Es handelt sich dabei um dieselbe perfide Taktik, die auch in den USA mit dem Dodd-Frank-Act praktiziert wird. Auf über 2300 Seiten wird ein dermaßen komplexes Regulierungssystem für die Banken niedergelegt, das nicht praktikabel ist. Kein Wunder, dass die Banken sich dafür eingesetzt haben.

Das dritte Beispiel zeigt aus einer ganz anderen Perspektive denselben Zusammenhang. Seit Mitte der 1990er Jahre ist die Umschlagsgeschwindigkeit des Geldes in den USA deutlich gesunken, die hier Stellvertreter für andere Industrieländer sein mögen. In den zurückliegenden 12 Monaten ist sie weiter gefallen und notiert jetzt an einem sechs-Dekaden-Tief (Chartquelle).

Die Umlaufgeschwindigkeit wird von vielen Faktoren beeinflusst. Dabei spielen Kredite für produktive Zwecke, also etwa für industrielle Investitionen eine entscheidende Rolle. Wenn diese einen konstanten Ertragsstrom erzeugen, der über den gesamten Schuldendienst hinausgeht, dann sorgt das für zunehmende realwirtschaftliche Aktivitäten. In der Folge tendiert die Umlaufschwindigkeit aufwärts. Aus dem folgenden Bild lässt sich ablesen, dass Phasen realwirtschaftlicher Prosperität mit steigender Umlaufgeschwindigkeit des Geldes zwischen 2003 und 2006 gegeben waren, sowie auch in der ersten Hälfte der 1990er Jahre.

Der Multiplikator der Geldmenge MZM (M2-ähnlich) zur Basis-Geldmenge M0 dient als zusätzliche Qualifizierung: Steigt er schneller als die Überschussliquidität (in M0 enthalten) an, bedeutet das, dass die Versorgung mit zum Nennwert rückzahlbaren Finanz-Assets zunimmt. Das dürfte ein guter Indikator für die spekulativen Aktivitäten der Finanzindustrie sein. Er bestätigte mit Abwärtstendenzen die Prosperitäts-Phasen der Realwirtschaft in der ersten Hälfte der 1990er und in der Mitte der 2000er Jahre. Umgekehrt warnte ein Anstieg zwischen Mitte 2006 und Mitte 2008 vor zunehmenden spekulativen Aktivitäten der Finanzindustrie.

Aktuell sinkt dieser Multiplikator im großen Bild seit Mitte 2008 deutlich ab, was in erster Linie mit der Geldflut der Fed (in M0 enthalten) zusammen hängt, die stärker steigt als das Volumen der zum Nennwert rückzahlbaren Finanz-Assets: Nicht einmal die Aktivitäten der Finanzindustrie halten Schritt mit der Geldflut.

Umlaufgeschwindigkeit und Multiplikator zeigen klar, dass diese Geldpolitik es bisher nicht geschafft hat, die Realwirtschaft umzudrehen auf soliden Erholungskurs.

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