Das Füllhorn der großen Koalition

Deutschland bekommt die Regierung, die es verdient. Die große Koalition aus CDU, CSU und SPD steht, jetzt muss eine Mitgliederbefragung bei der SPD den letzten Segen geben. Diese soll zwischen dem 6. und 12. Dezember stattfinden.

Der Koalitionsvertrag umfasst 185 Seiten und es soll Journalisten geben, die bei der Lektüre eingeschlafen sind. Das Schriftstück bleibt über weite Strecken unkonkret.

Die Ausführungen zu Europa sind schwammig und alles andere als neu. Es wird die ganze Palette möglicher Krisenursachen aufgeführt, die Rolle Deutschlands beim Fortbestehen der innergemeinschaftlichen Ungleichgewichte bleibt unerwähnt. Die Geburtsfehler der Währungsunion sollen ausgemerzt werden durch bindende Koordination der Wirtschaftspolitik und einen stringenteren fiskalpolitischen Rahmen. Ja, auch Maastricht soll weiter gelten (auf dem Papier).

Die Koalitionsvereinbarung strebt an, einige deutsche Banken vom einheitlichen Überwachungsmechanismus (SSM) der EZB auszunehmen. Die Bafin soll Sorge tragen, dass die Interessen kleiner Banken angemessen berücksichtigt werden. Man will die Spekulation mit Lebensmitteln bannen, den Hochgeschwindigkeitshandel einschränken, die europäische Regulierung des Derivate-Handels verstärken, Rating-Agenturen regulieren, man favorisiert bei der Finanztransaktionssteuer einen niedrigen Satz mit breiter Erhebungsbasis.

2015 soll in Deutschland ein Mindestlohn von 8,50 Euro eingeführt werden, der nach zweijähriger Übergangszeit ab 2017 überall bindend sein soll. Für Mieten und Sanierungen soll es strengere Regeln geben, die degressive steuerliche Abschreibung von Investitionen wird gestrichen.

Im Kapitel „Solide Finanzen“ werden vorrangige Maßnahmen aufgelistet, die sich von der Entlastung der Kommunen bis zur Aufstockung der Verkehrsinvestitionen in der gesamten Legislaturperiode auf 23 Mrd. Euro summieren. Hinzu kommen jährliche Belastungen in zweistelliger Milliardenhöhe aus den sozialpolitischen Beschlüssen zu Rente und Pflege sowie den arbeitsmarktpolitischen Regulierungen. Die verschärfte Regulierung auf dem Arbeitsmarkt (Mindestlohn, Einschränkungen für Zeitarbeit) schlägt alleine mit knapp 15 Mrd. Euro zu Buche, nicht gerechnet negative Folge-Effekte für den Arbeitsmarkt und die öffentlichen Kassen. Wenn die Rente mit 63 aus der Rentenkasse bezahlt wird, muss der Beitragssatz um 0,3% steigen, die Mütterrente treibt den Satz um 0,4% hoch.

Finanziert werden sollen die haushaltswirksamen Leistungen durch Verzicht auf zuletzt geplante Haushaltsüberschüsse (15 Mrd. Euro), das immer noch sehr niedrige Zinsniveau erleichtert die Finanzierung zusätzlich. Das 2014er Budget soll strukturell neutral sein, von 2015 auch nominal. Auch wenn die Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer angesichts der schwierigen Verhandlungen in Brüssel nicht wie unterstellt von 2015 an fließen, hält das Finanzministerium den Koalitionsvertrag für bis 2017 ohne Steuererhöhungen finanzierbar. Solange die Wirtschaftsentwicklung nicht kippt…

Berthold Kohler, FAZ, kommentiert: Das Füllhorn der großen Koalition enthält vor allem Weichgekochtes, das die Wutgenossen in der SPD gnädig stimmt. „Deutschland geht es so gut, dass es meint, sich eine solche Politik leisten zu können. Ein Grund zum Hoffen wie zum Verzweifeln ist, dass auch die meisten Politiker dieser Koalition es besser wissen.“

Ich habe nur eine Frage: Welche Vorhaben im Koalitionsvertrag werden die private Investitionsquote in Deutschland in den nächsten vier Jahren deutlich steigern?

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