Chimerica – naht das Ende?

Der Begriff Chimerica wurde 2006 von dem Historiker Niall Ferguson und dem Ökonomen Moritz Schularick geprägt und meint die Symbiose der Volkswirtschaften von China und Amerika.

Chimerica“ spielt bewusst auf „Chimäre“ an, in der griechischen Mythologie ein feuerspeiendes Mischwesen, ein Ungeheuer mit drei Köpfen. Chimerica hat nach Ansicht der Autoren massive und gefährliche Verwerfungen in der Weltwirtschaft hervorgerufen, deren Berichtigung ernste Konsequenzen nach sich zieht. Auch Fabelwesen leben nicht ewig.

China hat sich zum globalen Waren-Produzent entwickelt und verwendete die Exporterlöse, um den USA zinsgünstige Kredite zum Kauf dieser Waren zu gewähren. In den USA bewirkten diese Kredite eine starke Ausweitung des Konsums, China profitierte durch Vollbeschäftigung und starkes Wirtschaftswachstum. Der massive Kauf von US-Staatsanleihen durch China hielt den Kurs des Yuan niedrig und begünstigte so die chinesische Exportwirtschaft.

Der günstige Verfügbarkeit chinesischen Kapitals für amerikanische Unternehmen und Haushalte wird von den Autoren als wesentliche Ursache für den Boom in den 2000er-Jahren angesehen. Auch Hedgefonds und Private Equity-Gesellschaften nutzten die günstigen Kredite und bauten damit hohe Schuldenhebel auf. Die hierdurch begünstigte Kreditblase, zu einem wichtigen Teil im Haus-Sektor, platzte schließlich im Herbst 2008.

Die Ungleichgewichte bestehen weiter: Die People’s Bank of China (PBOC) hat mittlerweile 3,5 Bill. Dollar an ausländischen Reserven angehäuft, der Löwenanteil hieran sind US-Staatsanleihen. 2011 lagen die Reserven bei 3,2 Bill. Dollar, die Dynamik beim weiteren Aufbau hat im Vergleich zu früheren Jahren deutlich abgenommen.

Die Entwicklung wird nicht unendlich weitergehen – die Frage ist, was mit den gewaltigen Beständen an Staatsanleihen künftig geschieht.

Einerseits wird die Meinung vertreten, Zweifel an der Tragfähigkeit der hohen US-Verschuldung werde den Anlass geben, die Schuldtitel zu verkaufen. Das würde die US-Zinsen hoch treiben und könnte letztlich zum Kollaps des Dollar führen.

Andere argumentieren, ein Verkauf der Bestände an US-Bonds kann nicht im Interesse Chinas sein, weil die Währung hierdurch gegen den Dollar aufwerten würde. Das vermindert den Inlandswert der Anleihenbestände und untergräbt zudem die Wettbewerbsfähigkeit der chinesischen Exportindustrie.

Wenn sich allerdings die langfristigen Effekte der bisherigen Reservepolitik auf das chinesische Wachstum immer weiter reduzieren und die chinesische Regierung gleichzeitig ein stärkeres Gewicht auf die Ankurbelung der internen Wachstumskräfte setzt (der private Konsum soll in den kommenden Jahren auf 55 bis 60% des BIP anwachsen), so naht der Punkt, wo es keinen Sinn mehr macht, die Bestände weiter zu halten. Dann liegt ein Verkauf der Staatsanleihenbestände nahe, wobei viel davon abhängt, in welcher Geschwindigkeit das vonstatten geht.

In China wurde in den zurückliegenden zehn Jahren insbesondere durch das Schatten-Banken-System eine gewaltige Kreditblase aufgeblasen, die Ausleihungen an den privaten Sektor haben sich seit 2010 verdoppelt. Die neue chinesische Führung steuert nun gegen diese Über-Investition, sie will keine weiteren Liquiditätsspritzen mehr verabreichen und Ausleihungen an unprofitable Sektoren eindämmen.

Das allerdings könnte eine Finanzkrise triggern, die China zwingt, das Bankensystem in größerem Umfang zu rekapitalisieren. In einem solchen Szenario könnten sich faule Kredite im Umfang von rund einer Billion Dollar anhäufen. Die Rekapitalisierung würde zu einem Anstieg der Staatsverschuldung führen. Diese liegt bereits –einschließlich der Finanzvehikel der Lokal-Regierungen- bei etwa 70%. Hohe Verschuldungsquoten wirken wachstumshemmend, wie Reinhart und Rogoff herausgearbeitet haben, die relevante Schwelle wird bei Emerging Markets deutlich unter der für entwickelte Länder relevanten Marke von 90% gesehen.

Ein Anstieg der Staatsverschuldung auf 100% dürfte kaum in Chinas langfristigem Interesse liegen. Das gilt insbesondere hinsichtlich der inflationären Effekte, die dies nach sich ziehen würde. Die hieraus resultierende Gefahr sozialer Unruhen würde die Führung wahrscheinlich vor allem davon abhalten, diesen Weg dauerhaft zu beschreiten.

Damit bleibt als Alternative, dass China im Falle einer solchen Krise anfängt, die Bestände an Staatsanleihen zu reduzieren. Die negativen Effekte würden in Kauf genommen werden müssen – sie wären ohnehin nicht mehr so gravierend wie vor 2009. Denn der Anteil der Exporte am BIP beträgt aktuell etwa 23%, 2008 waren es noch über 30%. Zudem könnte die chinesische Regierung durch lockerere Kapitalverkehrskontrollen einen Kapitalabfluss unterstützen, was dem Aufwertungseffekt auf die chinesische Währung entgegen arbeiten würde.

In diesem Zusammenhang ist eine Meldung der FAZ äußerst interessant, wonach China erwägt, den Yuan im geplanten Zollfreigebiet der Wirtschaftsmetropole Shanghai frei handelbar zu machen.

Die Fed hat zwar (dem Hörensagen nach…) die Reduktion ihrer QE-Maßnahmen im Fokus. Sollte aber der Fall eintreten, dass China beim geschilderten Szenario beginnt, Staatsanleihen zu verkaufen, hätte sie ein ganz anderes Problem: Die Zinsen würden deutlich (weiter) steigen, das ohnehin schwache Wirtschaftswachstum würde u.a. durch die resultierenden negativen Effekte aus dem Haus-Sektor (siehe hier!) weiter geschwächt. Dann müsste die Fed ihre QE-Aktivitäten eher stark ausweiten als langsam reduzieren.

So würde die Fed dann Chinas Banken heraushauen und damit wäre der Umkehr-Prozess eingeleitet, an dessen Ende die Chimäre Chimerica samt der von ihr erzeugten Ungleichgewichte wieder zu existieren aufhört.

(Unter Verwendung von Material von Alexander Friedman, UBS, in Project Syndicate)

Der "Scharze Schwan" des Artikelsbilds assoziiert ein seltenes, bzw. völlig unerwartetes Ereignis.

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