BVG: EZB-Politik auf dem Prüfstand

Am 11. und 12. Juni hat das Bundes-Verfassungsgericht eine mündliche Anhörung über mehrere Klagen gegen den ESM und den Fiskalpakt angesetzt und angekündigt, dabei vor allem die Geschäftspolitik der EZB und besonders die umstrittenen Anleihekäufe zu prüfen.

Für die EZB wird das Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen vor Gericht auftreten und argumentieren, die Zentralbank sollte neben ihrem primären Ziel der Preisstabilitätssicherung auch sekundäre Ziele wie etwa die Sicherung der Finanzstabilität verfolgen.

Bundesbankpräsident Weidmann wird erläutern, warum die Bundesbank insbesondere das OMT-Anleihekaufprogramm als Überdehnung des EZB-Mandats ansieht. In der schon im Dezember verfassten Stellungnahme der Bundesbank heißt es, die Unabhängigkeit der EZB sei gefährdet und die Risiken nähmen zu, weil im Falle einer tatsächlichen Aktivierung des Programms gezielt Anleihen schlechter Qualität gekauft werden. Inzwischen ist in Irland noch ein auch bei anderen Euro-Notenbanken höchst umstrittenes Tauschgeschäft zwischen Notenbank und Regierung hinzu gekommen, über das der Staat Schulden in Höhe von 20% des BIP zum Leitzins finanziert. Die Bundesbank verweist zudem darauf, dass es nicht Aufgabe der EZB sei, den Zusammenhalt der Währungsunion zu garantieren, wie in Zusammenhang mit dem OMT-Programm proklamiert.

Der Europarechtler Udo Di Fabio, von 1999 bis 2011 Bundesverfassungsrichter, hat in einem Gutachten im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen die juristischen Grenzen einer Währungs- und Wirtschaftsunion untersucht. Er verweist darauf, dass die EZB durch ihr Verhalten gegen die Vorgaben von Grundgesetz und Europarecht verstoßen kann, ihre Unabhängigkeit sei nicht nur durch Einflussnahmen der Politik gefährdet.

Sein Resumee: Wenn das Bundesverfassungsgericht zu dem Schluss kommt, die EZB verletze das Verbot der Staatsfinanzierung, kann das Gericht der EZB zwar keine Vorschriften machen. Es müsse in diesem Fall aber auch den Europäischen Gerichtshof nicht anrufen, sondern könne den Verstoß „deklaratorisch feststellen“. Bleibt das erfolglos, müsste das Gericht Bundesregierung und Bundestag zum Austritt aus den Organisationen des Währungsverbunds oder zur Kündigung der Verträge zwingen, schreibt Di Fabio. Zwar gebe es die Möglichkeit, das Grundgesetz zu ändern, aber hierbei gebe es „unübersteigbare Grenzen“, die nur mit einer Volksabstimmung überwunden werden könnten.

Die EZB stellt sich in ihrer Stellungnahme auf den Standpunkt, die das OMT-Programm rechtfertigenden Aussagen über die Unumkehrbarkeit des Euro bedeuten nicht, dass dies auf Kosten der Preisstabilität geschieht. Es sei gerade umgekehrt: „Die Glaubwürdigkeit der Unumkehrbarkeit ist vielmehr eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Preisstabilität erreicht wird“, heißt es in der Stellungnahme.

Die EZB-Stellungnahme beschäftigt sich selbst eingehend mit den Grenzen, ab denen Interventionen mit unerlaubter monetärer Staatsfinanzierung (=Verbot des Kaufs auf dem Primärmarkt) gleichzusetzen sind. So dürften unmittelbar nach einer Emission keine neuen Anleihen eines Landes gekauft werden. Zudem wird das Volumen für nach OMT-Programm kaufbaren Staatsanleihen mit ein bis drei Jahren Laufzeit genannt: Für Spanien, Irland, Portugal und Italien dürfen sich diese Anleihen auf insgesamt maximal 524 Mrd. Euro summieren.

Di Fabio schränkt die Aussichten auf harte Vorgaben für Bundestag und Bundesregierung selbst ein: „Niemand kann sich heute vorstellen, dass ein im Ergebnis immer integrationsfreundliches Gericht wie das Bundesverfassungsgericht tatsächlich diesen ,Druckknopf’ der verbindlichen Austrittspflicht betätigen würde.“

Das jetzt anhängige Verfahren könnte für Karlsruhe aber Anlass sein, Kontrollmaßstäbe gegenüber der EZB deutlich zu machen. Diese hätte Staatsanleihen auch nicht mittelbar zur Staatsfinanzierung ankaufen dürfen, wie zwischen 2010 bis 2012 geschehen, als sie für gut 210 Mrd. Euro Anleihen von Italien, Spanien, Irland, Portugal und Griechenland übernommen hat.

Di Fabio fordert, das Prinzip der Eigenverantwortung zu stärken und spricht sich für Regeln über eine geordnete Staateninsolvenz aus. Auch Vorkehrungen für einen Ausschluss aus der Währungsunion und die vorübergehende Einführung einer nationalen Parallelwährung mit Abwertungsspielräumen seien denkbar, heißt es.

Prof. Dr. Dr. h.c. Brun-Hagen Hennerkes, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen erläutert den Standpunkt seiner Organisation:

„1. Die Errichtung einer Sondermülldeponie für die schlechten Risiken verantwortungsloser Finanzminister und Banker gehört nicht zu den Aufgaben der Europäischen Zentralbank. Es ist nicht zutreffend, dass Europa sich mit einer Kombination aus dem Erwerb von Staatsanleihen und niedrigen Zinsen Zeit gekauft hätte, um die notwendigen Reformen in den hochverschuldeten Ländern umzusetzen. Im Gegenteil: Diese Länder wie auch ihre Unternehmen stellen sich auf diese Niedrigzinspolitik dauerhaft ein. Sie bauen hierdurch mittelfristig größte Risiken auf. (…)
2. Die Eurorettung als solche stand für die deutschen Familienunternehmen nie zur
Disposition. Den Familienunternehmen wie den Bürgern fehlt es jedoch an Transparenz, welche Haftungsrisiken aus den bisherigen unterschiedlichen Rettungsmaßnahmen, Liquiditätsschirmen und Targetsalden in der Summe an Haftungsrisiken für Deutschland und damit seine Steuerzahler entsteht. (…)
3. Die Steuerbürger sind als die letztendlich Haftenden in dem EZB-Rat als obersten Beschlussorgan der Europäischen Zentralbank nicht ausreichend repräsentiert. Jedes Land verfügt im EZB-Rat über nur eine Stimme. Das gilt auch für Deutschland, obwohl es mit 27 Prozent aller bisherigen und zukünftigen Verpflichtungen das bei weitem größte Haftungsrisiko trägt. Euro-Länder wie Malta und Zypern stehen dagegen nur für etwa ein Zehntel Prozent gerade und haben doch dasselbe Stimmengewicht wie Deutschland. (…)“

Hennerkes fordert, einen politischen Abstimmungsprozess in Gang zu setzen, wie und wann die Niedrigzinspolitik beendet wird. Außerdem wird von der Bundesregierung verlangt, dass sie der Öffentlichkeit regelmäßig umfassend Rechenschaft über die Gesamthöhe aller Risiken ablegt. Zudem fordert er, die Stimmen im EZB-Rat im Wege eines Vertragsänderungsverfahrens nach dem Haftungsanteil jedes einzelnen Staates zu gewichten.

Eine BVG-Entscheidung, die einen deutschen Austritt erzwingt ist nicht zu erwarten. Genausowenig ist damit zu rechnen, dass der ESM oder das OMT-Programm der EZB in Frage gestellt werden. Allerdings ist es nicht unwahrscheinlich, dass das Bundesverfassungsgericht den Spielraum der Bundesregierung in Sachen "Euro-Rettung" einengt.

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