Bankenunion – unendliche Geschichte

Das Thema der geplanten Bankenunion in der Eurozone kocht wieder hoch. Sie wird zwar, wie geplant, 2014 an den Start gehen, aber mehr als eine zentrale Aufsicht für die Großbanken wird es dann nicht geben. Die Bankenrestrukturierung aber, die die Institute von Altlasten befreien könnte und in die Lage versetzen würde, wieder Kredite zu vergeben, wird auf sich warten lassen.

Wolfgang Münchau kommt in seiner Kolumne auf Spiegel-online daher zu dem Schluss, die Bankenunion kommt zu spät für die gegenwärtige Krise. Wenn alles gut geht, wird sie in fünf Jahren so weit sein, dass sie echte ökonomische Funktionen wahrnimmt, schreibt er.

Dem Bankensystem der Eurozone fehlen wegen jahrelanger Fehlinvestitionen, faulen Krediten und giftigen Wertpapieren in den Bankbilanzen insgesamt zwischen 500 und 1000 Mrd. Euro an Kapital, schätzen Analysten. EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia gab vor einiger Zeit einen kleinen Ausblick auf das, was mit der nächsten Bankenrettung auf uns zukommt: Er schätzt die totalen Kosten aller EU-weiten Bankenrettungen auf 4 bis 5 % des EU-BIP, die Summe der Garantien werde auf etwa 10% des BIP-27 kommen (2011: 12,64 Bill. Euro; Eurozonen-BIP (17 Länder) 9,4 Bill. Euro).

Die OECD sieht große Finanzlücken bei den großen europäischen Banken. Die Institute haben einen zusätzlichen Kapitalbedarf von rund 400 Mrd. Euro, schätzt die Organisation. Auch einige Charts aus einem IWF-Bericht zeigen, wie aufgeblasen der europäische Bankenapparat ist.

Das ifo-Institut hat ausgerechnet: Die Schulden der Banken aus den sechs am stärksten von der Krise betroffenen Staaten summieren sich auf insgesamt 9,4 Bill. Euro. Dies ist fast dreimal so viel wie die Summe der jeweiligen Staatsschulden von 3,5 Bill. Euro.

Die USA haben das Problem der Unterkapitalisierung frühzeitig und gezielt angegangen. Nach der Hypothekenkrise hat die US-Regierung die Banken gezwungen, sich durch den Staat rekapitalisieren zu lassen. Die Japaner haben in den 1990er Jahren fast ein Jahrzehnt verschwendet, bis sie denselben Weg gegangen sind. In Europa ist nach 2008 nur punktuell eingegriffen worden. Für Spanien wurden zwar von Seiten der EU 100 Mrd. Euro zur Bankensanierung bereit gestellt, bis jetzt sind aber nur 40 Mrd. Euro eingesetzt worden – viel zu wenig.

Die Brüsseler Politbürokraten beschäftigen sich indes mit dem institutionellen Rahmen eines zukünftigen Abwicklungsmechanismus. EU-Institutionen wie der EZB fehlt die rechtliche Basis, um eine Bank zwangsweise zu schließen. Ohne eine Änderung der EU-Verträge wird das nicht funktionieren. Die Tatsache aber, dass dies bislang von nahezu allen Politikern verneint wird, zeigt dass die Bankenunion zu einem großen Teil kosmetischer Natur sein wird.

Denn wenn eine Bank geschlossen werden soll, werden eine Reihe nationaler Gesetze tangiert. Nationale Insolvenzordnungen müssen angepasst werden, es gibt zahlreiche arbeitsrechtliche Probleme. So muss die Aufsichtsbehörde z.B. in der Lage sein, Bank-Manager fristlos abzusetzen. Um das alles zu ermöglichen, müssen Kompetenzen auf die europäische Ebene verlagert oder zumindest die nationalen Rechtsordnungen angeglichen werden. Es würde Jahre dauern, bis man hier auch nur ein Mindestmaß an Voraussetzungen geschaffen hat, stellt etwa Münchau fest.

Die Mitgliedstaaten können ihre Banken aus eigener Kraft nicht ausreichend restrukturieren. Z.B. liegen Italiens Staatsschulden bei 130% des BIP. Da ist nicht viel Spielraum, um die eigenen Banken ausreichend zu rekapitalisieren.

Das europäische Bankensystem ist auf Basis berichteter Verschuldung mit 26 zu 1 gehebelt, das der USA mit 13 zu 1 nur halb so stark. Das europäische Bankensystem hat per Mitte 2012 einen Umfang von über 46 Bill. Dollar, etwa das dreifache des EU-BIP und fast viermal so groß wie das der USA (46 gegen 12 Bill. Dollar). Das erzeugt permanenten latenten Druck, Risikoaktiva, Kredite, Wertpapiere usw., abzubauen. Eine Zurückführung von Bankkrediten würde zu schrumpfender Geldmenge führen.

Die Politik hat bisher in erster Linie die Lösung der Bankenkrise darin gesehen, dass es der nächste Konjunkturaufschwung den Banken ermöglicht, ihre Altlasten nach und nach abzuschreiben. Nun dauert die Rezession an und entlarvt diesen Wunschtraum – nichts anderes war und ist das angesichts der genannten Relationen.

Das BIP der Eurozone schrumpft im ersten Quartal um 0,2% gegenüber dem Vorquartal, bzw. gegenüber dem Vorjahr um 1%. Das BIP von Frankreich schrumpfte um 0,2%, das ist die dritte Kontraktion in den zurückliegenden vier Quartalen. Auch Italien steckt in der Rezession, es ist die längste seit 1970.

BIP-Wachstum (%) q/q y/y
Deutschland +0.1 -0.3
Frankreich -0.2 -0.4
Italien -0.5 -2.3
Spanien -0.5 -2.0
Griechenland -5.3
Zypern -1.3 -4.1
Portugal -0.3 -3.9
Eurozone -0.2 -1.0

Mit der anhaltenden Wirtschaftsschwäche verkehrt sich die (vergebliche) Hoffnung auf einen die Banken heilenden Aufschwung ins Gegenteil: Ihre Krise verschärft sich und verstärkt die Rezession v.a. über mangelnde Kreditvergabe derart, dass eine Lösung der Bankenkrise immer schwieriger wird. Für Unternehmen in Südeuropa gibt es kaum noch Kredite zu akzeptablen Konditionen (siehe auch hier!).

Damit drohen der Eurozone japanische Verhältnisse – eine (oder mehrere) verlorene Dekaden.

Das ifo-Institut hat kürzlich herausgearbeitet, dass die Bankenunion gefährliche Schutzversprechen zugunsten der Bankengläubiger in Südeuropa beinhaltet. Die Kapitalmärkte werden beruhigt, indem den Gläubigern der europäischen Banken über den ESM ein glaubhafterer Zugriff auf das Portemonnaie der Steuerzahler der noch gesunden Länder Europas gewährt wird. Die Schutzversprechen seien deshalb so glaubhaft, heißt es, weil sich die EZB im Rahmen der künftig bei ihr abgesiedelten Bankenüberwachung mit jeder Rettungsaktion selbst schützt. Sie hat im Umfang von knapp 900 Mrd. Euro schlecht besicherte Sonderkredite (Target2) zur Finanzierung von Zahlungsbilanzdefiziten an die Banken der sechs Krisenländer ausgegeben. Müsste sie diese abschreiben, weil die Banken pleitegehen, wäre sie selbst pleite. Die EZB ist damit Teil des Problems, das sie mit den Mitteln des ESM gelöst haben möchte. Sie hat daher jeden Anreiz, ihre neue Rolle als Aufseherin über die Banken so zu nutzen, dass Bankpleiten mit den Mitteln des ESM verhindert werden.

Damit wird die Bankenunion vollends zu Farce. Das Problem des aufgeblasenen Bankenapparats wird nicht aktiv angegangen, die Bankenunion bleibt Kosmetik. Das bleibt so lange so, bis die nächste Finanzkrise (natürlich wieder völlig unerwartet…) zuschlägt und dann Lösungen erzwingt, die dem guten, alten Muster folgen: Too-big-to-fail – die Banken sind systemrelevant und müssen gerettet werden. Der Zugriff auf die ESM-Mittel wurde hierfür schon vorsorglich geebnet.

Bis dahin werden allgegenwärtige Zombie-Banken die Wirtschaft lähmen. Und danach auch wieder…

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