EZB-Politik: Rohrkrepierer?

Mit dem Ausgang der italienischen Parlamentswahlen rückt die Eurokrise wieder etwas stärker ins Bewusstsein. Die Zinsen italienischer Staatsanleihen sind von 4,4 auf 4,7% angesteigen, die spanischer Staatspapiere sind gesunken. Insgesamt verhalten sich die Renditen bemerkenswert flach – ist das ein Zeichen trügerischer Selbstzufriedenheit?

Die Eurokrise zeigt ihr Gesicht gegenwärtig woanders – bei den Kreditzinsen für KMUs. Und dort tut es realwirtschaftlich richtig weh. EZB-Direktor Asmussen hatte in einer Rede Anfang Dezember 2012 darauf hingewiesen, dass sich die Höhe der Kreditzinsen in der Eurozone vor allem am Standort eines Kreditnehmers festmacht und nicht an seiner Kreditwürdigkeit, wie es eigentlich sein sollte. So hatte im August 2012 ein spanisches KMU für einen Kredit von bis zu einer Mill. Euro und einer Laufzeit zwischen ein und fünf Jahren 6,6% Zinsen zu zahlen – so viel wie noch nie seit 2008. In Italien waren es 5,83%. Im Oktober mussten für einen vergleichbaren Unternehmenskredit in Spanien 6,16% und in Italien 5,54% Zinsen gezahlt werden. In Deutschland war ein solcher Kredit hingegen für 3,70% Zinsen zu haben.

Im Januar sind die Zinsen für solche Kredite in Italien wieder auf 5,8% gestiegen nach 5,55% im Dezember, in Spanien sind sie von 5,65% auf 6% hoch gegangen. In Deutschland mussten 3,5% gezahlt werden, die Tendenz gegenüber dem Vormonat war eher abwärts gerichtet.

Damit sind die Zinsen jetzt also wieder etwa da, wo sie zum Start des OMT-Programms lagen.

Erklärtes Ziel dieses Programms war, die monetäre Fragmentierung in der Eurozone zu beenden. Asmussen hatte die Zinsunterschiede in der oben zitierten Rede als nicht hinnehmbar bezeichnet für eine Zentralbank, deren Mandat die Preisstabilität für den gesamten Euroraum ist. Um den Transmissionsmechanismus zu reparieren, habe sich die EZB für das OMT-Programm entschieden.

Das OMT hat dieses Ziel aber bisher offensichtlich verfehlt. In der Eurozone gibt es de facto keine einheitliche Geldpolitik. Mit einem nicht funktionierenden Transmissionsmechanismus und fortwährender Austerität wird es kein Ende der Rezession in der südlichen Peripherie der Eurozone geben, schlimmer noch, eine Depression wird wahrscheinlicher. Die Vorhersagen eines Turnarounds im zweiten Halbjahr 2013, wie sie jüngst von Rehn verkündet wurden, dürften sich damit als „verfrüht“ erweisen.

Die Bankenunion war auch als Mittel angedacht, um die regionalen Risiko-Divergenzen einzuebnen. Da mittlerweile mehr als fraglich ist, ob bei der Bankenrefinanzierung mehr als im kosmetischen Umfang auf ESM-Mittel zurückgegriffen werden kann, fällt ein in diesem Sinne wichtiger Faktor weg.

H.-W. Sinn weist im ifo-Standpunkt 144 noch auf einen anderen Aspekt der fehlschlagenden Euro-Rettung hin. Das OMT-Programm, bzw. seine bloße Ankündigung, hat zwar die Renditen der Staatsanleihen der Krisenländer nach unten getrieben, gleichzeitig jedoch den Euro gestärkt. Das ist gut für die Bilanzen der Gläubiger der südlichen Länder, doch schlecht für die Wettbewerbsfähigkeit der dortigen Wirtschaft.

Das offenbart ein fundamentales Dilemma der Euro-Rettungspolitik. Die europäische Rettungspolitik bringt enorme Kollateralschäden mit sich. Sie öffnet nicht nur Brandkanäle von den Krisenländern in die Staatsbudgets der noch soliden Länder und bürdet den Steuerzahlern und Rentnern dieser Länder enorme Vermögensrisiken auf. Sie erschwert auch die dringend erforderliche innere Abwertung auf dem Wege fallender Euro-Preise für Vermögensobjekte, menschliche Arbeitskraft und Güter. Gleichzeitig behindert der Aufwertungsdruck auf den Euro die Gesundung der Krisenländer über den Außenhandel. Und so verringert die Rettungspolitik die Wettbewerbsfähigkeit der Krisenländer.

Auch Frankreichs stark auf Südeuropa ausgerichtete Wirtschaft leidet darunter. Goldman Sachs schätzt, dass das Land gegenüber Deutschland um 35% billiger werden muss, um im Verhältnis zum Ausland seine Schulden tragen zu können.

Ohne die stümperhaften Rettungsversuche der Politik wäre der Euro in eine starke Abwertung getrieben worden und hätte einen Teil der Volkswirtschaften Südeuropas bereits wieder wettbewerbsfähig gemacht, schreibt Sinn. Außerdem hätten die Abwertung und die Senkung der Preise auf ganz natürliche Weise Kapital angezogen und so die Basis für ein neues Wirtschaftswachstum gelegt.

Eine Intervention zieht die nächste nach sich. Die EZB kann die Aufwertung des Euro verhindern, indem sie ausländische Währungen kauft. Sinn: Die eigene Währung muss so lange inflationiert werden, bis das Vertrauen in den Euro wieder so weit unterhöhlt ist, wie es durch die Garantien gesteigert wurde.

Die EZB kann zur Schwächung des Euro auch die Leitzinsen senken. Es gilt bei Beobachtern allerdings als wenig wahrscheinlich, dass dies bereits am Donnerstag dieser Woche geschieht. Viel Spielraum hat die EZB in dieser Richtung sowieso nicht, der Leitzins liegt bereits bei 0,75%. Gut möglich, dass man zunächst das Pulver trocken halten will.

Der Euro hält sich seit Tagen gegenüber dem Dollar bei etwas über 1,30. Im Spiel ist eine lange Aufwärtslinie aus 2001/2002. Bedeutendes Aufwärtspotenzial offeriert der Chart nicht.



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