Italien: Vor den Wahlen schwache Zahlen

Am kommenden Sonntag und Montag stehen in Italien Parlamentswahlen an. Da wird überall in Europa heftig gegackert. EU-Parlamentspräsident Schulz spricht sich gegen Berlusconi aus, Monti macht mit kritischen Äußerungen über Merkel von sich reden. Und die Wirtschaft schwächelt – nicht erst seit 2008.

Der Herr Schulz warnt die Italiener davor, den früheren Regierungschefs Berlusconi wieder zu wählen. Der habe das Land schon einmal durch unverantwortliches Handeln und persönliche Eskapaden ins Trudeln gebracht, teilte er der „Bild“-Zeitung mit. Es gehe bei den kommenden Wahlen auch darum, dass das Vertrauen nicht verspielt wird, was das Land durch Monti gewonnen habe. (Noch) vertraut er, dass die Italiener die richtige Wahl treffen.

Noch-Ministerpräsident Monti ist darum bemüht, sich von Merkel abzugrenzen. Vermutlich ist ihm noch die Pleite von Sarkozy im Gedächtnis, der sich in seinem Wahlkampf zu eng mit Merkel verbunden zeigte. Merkel fürchte die Konsolidierung der Parteien der Linken, insbesonders in einem Wahljahr für sie, gab Monti zu Protokoll. Merkel wiederum ließ erklären, dass sie dazu nichts erklärt. Sie gebe zum italienischen Wahlkampf grundsätzlich keine Stellungnahme ab. Montis Bemerkungen gelten auch als Reaktion auf Äußerungen des Mitte-Rechts-Kandidaten Berlusconi, der wiederholt Merkel attackiert und gemutmaßt hatte, Monti und Merkel hätten sich darauf verständigt, die in Umfragen führende PD zu unterstützen.

Bemerkenswert sind die Attacken von Beppe Grillo, einem Komiker. Seine Protestbewegung "Cinque Stelle" liegt in Umfragen bei bis zu 20%. Da muss auch Berlusconi gegen ankeifen und nennt ihn eine Gefahr für die Demokratie – ausgerechnet.

Grillo wettert gegen alles und jedes, gegen Korruption und Vetternwirtschaft. Zulauf bekommt er auch von Anhängern der fremden- und europafeindlichen Lega-Nord, weil er wie sie ein Referendum über den Euro fordert und dagegen ist, dass die Staaten Souveränität an Europa abgeben. Zudem will er die Staatsschulden neu aushandeln, m.a.W. die Staatspleite erklären. Er will die einheimische Industrie schützen mit Handelssanktionen gegen Länder, die mit Italien bei denselben Produkten konkurrieren. Grillo könnte zum Oppositionsführer im nächsten Parlament werden.

An Grillo ist bemerkenswert, dass er sich in seiner Kampagne keineswegs der sonst z.B. in Griechenland und in Frankreich üblichen rechtsradikalen Töne bedient, wenn er größere Unabhängigkeit seines Landes fordert.

Kommen wir zu den zugrundeliegenden wirtschaftlichen Problemen: Die Rating-Agentur Standard & Poor’s warnt, der Wahlausgang könnte einen Downgrade nach sich ziehen, wenn das Land unter einer schwachen künftigen Regierung bei strukturellen Reformen nachlässt. Dabei sollte das Land den Schwerpunkt auf Wachstum, nicht Austerität legen.

Wie steht es in Italien? Nachfolgend einige wichtige Makro-Datenreihen.

Das BIP-Wachstum ist im großen Bild zumindest seit Anfang des Jahrtausends rückläufig.

Das gilt genauso für die Produktivität.

Die Arbeitslosigkeit steigt seit 2007 an und liegt aktuell bei 11,2%.

Die Inflationsrate ist im großen Bild leicht abwärts ausgerichtet und seit September 2012 stärker rückläufig. Aber sie liegt aktuell immer noch bei über 2%.

Bei der Leistungsbilanz ging es im großen Bild bis Mitte 2011 bergab, das Defizit lag im Tief zum Jahreswechsel 2010/2011 bei minus acht Mrd. Euro. Aktuell ist der Trend aufwärts gerichtet mit einem Überschuss von momentan gut zwei Mrd. Euro.

Die italienische Staatsverschuldung kommt für 2012 auf gut 120% des BIP. Sie lag seit 2000 nie unter 100%.

Die Industrieproduktion bewegte sich bis Anfang 2008 um die Nulllinie beim Zuwachs. In 2009 kam der Absturz auf minus 26%, in 2010 die Erholung auf plus 10%. Seither ist die Industrieproduktion wieder auf dem Pfad der Kontraktion mit aktuell minus sieben Prozent im Jahresvergleich, allerdings leicht erholt gegenüber dem in der ersten Jahreshälfte 2012 markierten Tief von naherzu minus 10%.

Das italienische Verbrauchervertrauen kennt seit zwölf Jahren übergeordnet nur eine Richtung – abwärts.

Strich darunter: Die Staatsverschuldung hat an Dynamik zwar nicht weiter zugelegt, Anzeichen, dass sie künftig deutlich abnehmen könnte, gibt es bisher nicht. Ihr Niveau ist mit 120% weit jenseits der kritischen Schwelle von 90% (Reinhart & Rogoff). Die Industrieproduktion sendet einen zarten Hoffnungsschimmer – mehr aber auch nicht. Immerhin hat sich die Leistungsbilanz zuletzt deutlich verbessert und den langjährigen Trend ins Defizit gestoppt. Die Arbeitslosigkeit steigt seit 2007/2008 deutlich an, Zeichen für eine Umkehr gibt es bisher nicht. Gleichzeitig nimmt die Produktivität wieder ab und den seit zwölf Jahren bestehenden Abwärtstrend wieder auf. Das BIP ist in Kontraktion und folgt einem langjährigen Abwärtstrend.

Hoffnungsschimmer? Klar, die Leistungsbilanz, ansatzweise auch die Industrieproduktion. Mehr einstweilen nicht.

Italien bleibt ein Krisenherd – möglicherweise verstärkt nach den Wahlen.

Dis Spannung vor den Wahlen schlägt sich auch im Kursverlauf eines ETF auf den italienischen Aktienindex nieder. Der Kurs bewegt sich in einer engen Spanne, das Bollingerband indiziert die Möglichkeit eines Volatilitätsausbruchs. Der Kurs notiert knapp unter der wichtigen EMA50 und unterhalb einer Aufwärtslinie, die aus Juli 2012 stammt, als Draghi versprach, alles zu tun, um den Euro zu retten. Die technische Auswertung steht auf "bärisch".

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