Eine denkbar schlechte Mixtur

Eine denkbar schlechte Mixtur hält derweil die Finanzmärkte unter Druck:

1. Die Makrodaten aus der Eurozone legen nahe, dass die erwartete Rezession hier stärker ausfallen dürfte als erwartet.
2. Die US-Arbeitsmarktdaten kamen am zurückliegenden Freitag deutlich schlechter herein als erwartet.
3. Die Ergebnisse der Wahlen am Wochenende in Frankreich und Griechenland tragen zur allgemeinen Verunsicherung bei.

  • Zu 1.: Hier weisen die PMI-Daten für April deutlich nach unten, zudem fielen sie in Deutschland schlechter aus als erwartet und liegen auch im Kontraktionsbereich – siehe hier: Wer koppelt sich von wem ab?.
  • Zu 2.: Im April wurden in den USA 115.000 Jobs neu geschaffen – viel weniger als mit rund 170.000 erwartet. Die Zahl aus März wurde deutlich aufwärts revidiert. Hier muss man einmal einwerfen, dass diese Monats-Zahlen völlig irrelevant sind, beziffert doch das BLS selbst die Unsicherheit auf plus/minus 100.000. Sie taugen deshalb vielleicht als Anlass für schnelle Aktionen an den Finanzmärkten, die sonst auch, wenn auch verzögert, stattfinden würden.

    Der langfristige Verlauf der Arbeitsmarktzahlen bleibt von diesem Einwurf unberührt (so lange man davon ausgeht, dass der genannte Fehler zufallsverteilt ist). Die hier schon mehrmals getroffene Feststellung gilt weiter: Die Erholung des US-Arbeitsmarktes ist selbst gegen die schon lahme Erholung nach der Rezession 2001/2002 lahm (siehe großer Chart). Und im historischen Vergleich ist festzuhalten, dass die jährlichen Zuwächse bei den Arbeitsplätzen in der US-Wirtschaft seit 1995 abnehmen (siehe kleiner Chart)

    Die Erwerbsquote ist auf ein neues historisches Tief bei 63,6% gefallen, die Zahl derer, die -obwohl im erwerbsfähigen Alter- dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen, ist im Monatsvergleich um 522.000, im Jahresvergleich um nahezu 2,7 Millionen angestiegen. Shadowstats sieht die tatsächliche Arbeitslosenquote in den USA denn auch bei über 22%.

  • Zu 3.: Der Wahlausgang in Frankreich und Griechenland ist symptomatisch für die Eurozone insgesamt: Je stärker die Folgen der Krise auf der Bevölkerung abgeladen werden, je mehr strafen die Wähler die etablierten Parteien ab und wenden sich entweder radikaleren Parteien zu oder verweigern die Wahl gleich ganz.

    In Griechenland verloren die Konservativen und die Sozialdemokraten, die die Eurozonen-Beschlüsse im eigenen Land umgesetzt haben, teils erdrutschartig und verfügen über keine Mehrheit im Parlament mehr. Eine allgemein als linksradikal bezeichnete Gruppierung wurde zweitstärkste Kraft. Diese Bezeichnung der Mainstream-Presse trifft den Kern jedoch (absichtlich) nicht – die Gruppierung ist heterogen und insgesamt eher als linke Sozialdemokratie einzustufen. Es dürfte Wochen dauern, bis sich in Griechenland eine regierungsfähige Mehrheit ergibt – oder es kommt zu Neuwahlen. Die Unsicherheit, ob, bzw. mit welchen Abstrichen der von der Eurozone verordnete Sparkurs weiter geführt wird, dürfte die Finanzmärkte noch einige Zeit beschäftigen.

    In Frankreich verlor Amtsinhaber Sarkozy sein Amt – die meisten Präsidenten vor ihm schafften eine zweite Amtszeit. Der Wahlausgang war knapp, sein Widersacher Hollande gilt als gemäßigter Sozialdemokrat. Er hatte vor der Wahl zunächst angekündigt, den Merkelschen Sparpakt neu zu verhandeln, zuletzt war nur noch von einer Wachstumskomponente die Rede. Ob Hollande mehr als eine Amtszeit schafft, erscheint mir ungewiss angesichts der Ankündigungen vor der Wahl, die er nach und nach wieder kassieren dürfte. Ob die Franzosen von Sarkozys Selbstdarstellungssucht mehr die Nase voll hatten als von seiner Politik, sei dahin gestellt. Die Knappheit des Wahlergebnisses zeigt jedenfalls auch hier, dass stabile politische Mehrheiten in der Eurozone künftig eher die Ausnahme bleiben. Das unterstreicht auf anderer Ebene auch das Ergebnis der Landtagswahl in Schleswig-Holstein.
    Und diese Zahl spricht Bände: Die Zahl der "ungültigen" Stimmen verdreifachte sich ziwschen den beiden Wahlgängen von rund 700.000 auf 2,1 Millionen – das sind fast sechs Prozent der Wahlberechtigten.

Politische Instabilität und wirtschaftlicher Abschwung – das ist eine gefährliche Kombination für die Finanzmärkte. Nicht dass sie die Merkelsche Sparpolitik besonders favorisiert hätten – darum geht es gar nicht. Sie würden wahrscheinlich sogar eher das Gegenteil mittragen – allerdings auch nur dann, wenn die eingeleiteten Maßnahmen vertrauenswürdig sind. Und in dieser Hinsicht hat die Politbürokratie in der Eurozone nahezu alles Potenzial verspielt.

Daher dürften die Finanzmärkte weiterhin vor allem auf die EZB setzen und hier darauf, die Liquiditätsschleusen weiter aufzudrehen. Dabei geht es hauptsächlich um das Geschäftmodell, wonach die Banken hochverzinsliche Anleihen von Pleiteländern auf Pump kaufen und die EZB solch minderwertige Papiere als Sicherheiten akzeptiert.

Die ersten Analysten in den USA vermuten schon, dass es bald zu QE3 kommen wird. Dies ist nicht unwahrscheinlich. Dem S&P 500 sind die zurückliegenden Fed-Programme jedenfalls gut bekommen. Ob ein nächstes QE-Programm "sterilisiert" daher kommt, muss sich noch zeigen.

Damit schaffen wir den Bogen zu Inflation. Finanzminister Schäuble hat jetzt in einem Interview wohlwollendes Verständnis für höhere Tarifabschlüsse in Deutschland geäußert, gleichzeitig aber davor gewarnt, dies auf andere Länder der Eurozone zu übertragen. Mit anderen Worten befürwortet Schäuble für Deutschland höheren Inflationsdruck als für die Eurozone insgesamt. Dies dürfte auch ein Zeichen dafür sein, dass sich das Merkelsche Spardiktat, das für die PIIGS-Länder eine deflationäre Anpassung vorsieht, nicht durchhalten lässt. Durchaus möglich, dass die stark überproportionale Schwäche des DAX in den zurückliegenden Tagen mit den damit begründeten Aussichten einer stärker inflationären Anpassung in Deutschland zu tun hat, was die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exportindustrie in Europa und auf den Weltmärkten tangiert.

Krisenszenario an den Finanzmärkten: Nachdem die US-Aktienindices am Freitag bereits deutlich verloren hatten, trifft es heute HSI und Nikkei mit Verlusten jenseits von 2% hart. Im frühen Handel stürzt der DAX bis nahe 6400 ab, versucht mittleweile allerdings, sich dem Widerstandspegel bei 6520 anzunähern. Die Ölpreise haben in den vergangenen Tagen sehr stark verloren, Industrierohstoffe insgesamt zeigen sich schwach. Der Goldpreis hat mit den Aussichten auf weitere geldpolitische Lockerungen immer bessere Chancen, sich oberhalb von 1620 zu stabilisieren. Der Dollar-Index zeigt mittlerweile wieder den typischen "safe-heaven"-Reflex. Euro/Dollar verliert angesichts der jüngsten Ereigniss bis auf 1,30 und versucht hier, sich festzuhalten.

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