Wachstum, Wachstum über alles…

Larry Summers schreibt in seinem Blog bei Reuters, die europäische Politik habe bei der Krisenlösung wieder einmal versagt. Möglicherweise sei es zwar vernünftig gewesen, zu hoffen, dass die LTROs der EZB die Krise wenn schon nicht lösen, dann immerhin eine zeitlang in Schach halten könnten. Aber schwache Banken, besonders in Spanien, hätten noch mehr Schulden ihrer schwachen Staaten gekauft, während Ausländer das Gegenteil getan hätten. Die Märkte sähen das mit Argwohn und würden immer nervöser.

Die Grundannahme der europäischen Politik sei, dass die Länder überschuldet sind. Daher könnten sie sich an den Märkten zu akzeptablen Bedingungen keine Mittel besorgen. Hohe Schuldzinsen tangierten das Finanzsystem und verhinderten Wachstum.

Daraus folge die Strategie, Finanzierungshilfen bereit zu stellen und gleichzeitig auf Sparsamkeit zu bestehen in der Hoffnung, dass die Länder ihre überschießenden Ausgaben zurückfahren und wieder Vertrauen ihrer Gläubiger zurückgewinnen könnten. Damit sänken die Zinsen und das Wirtschaftswachstum könnte wieder starten.

Unglücklicherweise, so Summers, hat Europa aber seine Probleme falsch diagnostiziert und daher den falschen Weg eingeschlagen. Außerhalb von Griechenland, das nur zwei Prozent der Eurozone ausmacht, sei Verschwendung nicht das Hauptübel. Spanien und Irland hätten vor fünf Jahren noch besonders niedrige Schuldenquoten gehabt, sogar klar unterhalb der von Deutschland. In Italien war die Schuldenquote seinerzeit zwar schon hoch, das Budget-Defizit wies aber einen günstigen Verlauf auf. Europas Problem-Länder seien in Schwierigkeiten, weil die Finanzkrise von 2008 ihre Finanzsystem beschädigt hätten und zu einem Zusammenbruch des Wachstums geführt hat.

Hohe Defizite sind mehr Symptom als Ursache des Problems, schreibt Summers. Und Symptome statt Ursachen zu behandeln sei normalerweise eine gute Möglichkeit, das Befinden eines Patienten zu verschlechtern.

Die Ursache von Europas finanziellen Problemen ist fehlendes Wachstum, meint Summers. Immer wenn die Zinsen die Wachstumsraten deutlich übersteigen, geraten die Schuldenprobleme außer Kontrolle. Europa müsse Wachstum fokussieren, verstärktes Sparen sei ein Schritt in die falsche Richtung.

Systematische Vergleiche hätten gezeigt: Wenn Ökonomien bei geringer Nachfrage kurzfristige Zinsen nahe Null aufweisen, haben Maßnahmen zur Defizit-Reduktion einen Multiplikator von 1 bis 1,5 auf das BIP. Das gilt gleichermaßen für Sparmaßnahmen wie Steuererhöhungen. Ein Prozent Reduktion der Schuldenquote reduziert das BIP um 1 bis 1,5%. Damit erweist sich „Austerity“ auf Staatsebene als kontraproduktiv im Sinne von Kreditwürdigkeit, sie reduziert Einkommen und damit die Fähigkeit, Schulden zurückzuzahlen. Gleichzeitig wirft das einen dunklen Schatten auf künftige Wachstumsmöglichkeiten.

Auf europäisch-kontinentaler Ebene verstärke sich der Effekt noch, schreibt Summers. Wachstumsschwäche in einem Land reduziert die Nachfrage nach Exporten eines anderen. Erhöhungen von Sparen und Exporten in einigen Ländern entspricht Erhöhungen von Ausgaben und Importen in anderen. Deutschlands enormer Erfolg der zurückliegenden Jahre wurde durch Netto-Exporte in großem Stil erreicht. Ohne umfängliche Schuldenmacherei und Importe der europäischen Peripherie sei das nicht möglich gewesen. Die Peripherie werde umgekehrt wohl keinen Erfolg bei der Reduktion ihrer Schuldenquote haben, wenn Deutschland nicht auf der anderen Seite zulässt, dass sich der deutsche Handelsbilanzüberschuss reduziert.

Skeptiker wundern sich über den Rat, dass hoch verschuldete Länder noch mehr ausgeben sollen; aber es gibt einen Unterschied zwischen Kreditaufnahmen bei einzelnen Wirtschaftssubjekten und dem Staat, schreibt Summers. Staatliches Einkommen ist durch Ausgaben bestimmt. Wenn ein Land so viel spare, dass die Wirtschaft in eine Abwärtsspirale getrieben wird, tut es damit seinen Gläubigern keinen Gefallen. Ja, so Summers, letztlich müssten das Pensionsalter angehoben und die Sozialsysteme reformiert werden. Aber zunächst müssten die Wachstumsperspektiven wieder hergestellt werden.

Nur mit Wachstum kann der Euro überleben und nur mit Wachstum können die Finanzprobleme der Eurozone gelöst werden. Der IWF und die internationale Gemeinschaft sollte weitere Hilfen nicht von Aktionen einzelner Länder abhängig machen, sondern von einer gemeinsamen europäischen Verpflichtung zu Wachstum.

So weit Summers – sein Kommentar passt inhaltlich gut zum Thema des Artikels Sparen oder Schulden machen. Allerdings gibt es hierzu einiges an Kritik anzumerken – folgt in einem späteren Beitrag.

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