Industrie: Der Optimismus schwindet

Die Halbleiter-Branche hat nach Einschätzung der Marktforscher von Gartner „besorgniserregend“ hohe Lagerbestände – vor allem angesichts der aktuellen Wirtschaftslage. Die Wahrscheinlichkeit sei zudem hoch, dass Ausgaben von Verbrauchern und Unternehmen niedriger ausfallen könnten als erwartet.

Wegen der hohen Bestände erwartet Gartner für die zweite Jahreshälfte und den Anfang des nächsten Jahres eine geringere Halbleiterproduktion. Die Marktforscher haben den Ausblick für den Halbleiter-Markt gesenkt. Jetzt wird mit einer Stagnation des weltweiten Umsatzes in 2011 bei knapp 300 Mrd. Dollar gerechnet. Zuvor war man im Verein mit anderen Auguren von einem Wachstum um nahezu fünf Prozent auf fast 315 Mrd. Dollar ausgegangen.

Die Erwartungen für das dritte Quartal liegen bei vielen Chip-Herstellern bei Stagnation bis leichtem Rückschritt. Die saisonalen Durchschnittswerte zeigen für das dritte Quartal normalerweise Zuwächse von acht bis neun Prozent.

Die Chipindustrie hatte, wie die meisten anderen Branchen auch, stark unter der Wirtschaftskrise im Gefolge des Ausbruchs der Finanzkrise gelitten. Sie fand aber als frühzyklische Branche schneller als andere Industriezweige den Weg zu Wachstum zurück. Die Entwicklung der Chipindustrie ist in der Regel ein guter Frühindikator für die wirtschaftliche Gesamtentwicklung.

Erst im zweiten Quartal 2012 dürften sich Produktion und Absatz wieder angleichen, heißt es bei Gartner. Die gut gefüllten Lager hatten zwar über die Produktionsausfälle nach dem Erdbeben und dem Tsunami in Japan hinweg geholfen. Sie müssten nun aber an die veränderte Lage angepasst werden, heißt es.

Für 2012 hat Gartner die Wachstumsprognose von 8,6% auf 4,6% zurückgenommen. Dabei wird angemerkt, dass die Anzeichen für eine erneute Rezession in den USA zunehmen und sich mithin die Umsatzaussichten weiter eintrüben könnten.

Der ZVEI meldet: Bei den Leiterplattenherstellern ist der Juni-Umsatz im Vergleich zum Vorjahr nahezu unverändert geblieben, gegenüber Mai fiel er um zwölf Prozent. Das erste Halbjahr schließt dennoch mit einem Plus von 18,1% ab.

Der Auftragseingang fiel im Juni um 26,8% gegenüber dem Vormonat und gegenüber dem Vorjahres-Halbjahr um 20,9%. Das wird einem Basiseffekt zugeschrieben: Die Bestellungen waren im Vorjahr besonders im Zeitraum von Mai bis Juli aufgrund eines sprunghaft gestiegenen Bedarfs und wegen Engpassbefürchtungen außergewöhnlich hoch.

Die Mitarbeiterzahl legte im Vergleich zum Vorjahresmonat um 8,3% zu. Das Niveau des Jahres 2008 ist fast wieder erreicht.

Bei den Herstellern von Elektronischen Baugruppen (sowohl Inhouse-Hersteller als auch Electronic Manufacturing Services Provider) zeigte das erste Quartal 2011 weiteres Wachstum, so der ZVEI. Der Auftragseingang konnte um 3,6% gegenüber dem Vorquartal zulegen, gegenüber dem gleichen Quartal des Vorjahres waren es plus 9,5%.

Der Umsatz blieb gegenüber dem Vorquartal unverändert. Gegenüber Vorjahresquartal zog der Umsatz um 22,9% an. Der Exportanteil im Umsatz blieb mit ca. 30% unverändert. Das Book-to-Bill-Ratio als mittelfristiger Trendindikator erreichte einen Wert von 1,03.

Die Stimmung in den Firmen ist positiv, schreibt der ZVEI. Die gute Auftragslage soll auch in den nächsten zwölf Monaten anhalten, ein Drittel der Firmen sieht Raum für weitere Steigerungen.

Thilo Brodtmann, Geschäftsführer des VDMA-Fachbereichs Robotik + Automation, erklärte heute: „Wir werden 2011 einen neuen Rekordumsatz von 10,3 Milliarden Euro erreichen.“ Das wäre ein Umsatzplus von 37% gegenüber 2010. Für 2012 wird weiteres Wachstum von sieben Prozent auf 11,1 Mrd. Euro prognostiziert.

Der Umsatz von Montage- und Handhabungstechnik wird 2011 sechs Mrd. Euro überschreiten (+42%). Die Robotik wird 2,7 Mrd.Euro (+38%) erreichen. Beide Teilbranchen verzeichnen damit die höchsten Wachstumsraten aller Zeiten. Der Umsatz der Industriellen Bildverarbeitung, der 2010 mit 32% schon weit über dem Durchschnitt gewachsen war, wird sich um weitere 20% auf 1,5 Mrd. Euro erhöhen. Alle drei Teilbranchen werden das Jahr 2011 mit dem höchsten, jemals erreichten Jahresumsatz abschließen.

Die Impulse für das starke Wachstum kommen aus dem Inland und dem Ausland. Zugpferd ist nach wie vor die Automobilindustrie. Andere Branchen ziehen nach, vor allem die Metallindustrie, die Lebensmittel- und Getränkeindustrie, sowie die Pharmaindustrie.

Der Trend zur Automatisierung hat sich weltweit und in nahezu allen Branchen deutlich verstärkt. Es wird erwartet, dass die Dynamik bei den Auftragseingängen in den kommenden Monaten zyklisch bedingt nachlassen wird. Es bleibt unklar, wie sich die Schuldenkrise und die Verwerfungen auf den Finanzmärkten auswirken. Trotz dieser Unwägbarkeiten wird der Trend zur Automatisierung mittel- und langfristig anhalten.

Die Quintessenz: Der Optimismus in den Industriezweigen scheint umso ungebrochener, je näher sie an den Endmärkten liegen. Der VDMA vertritt Hersteller, die ihre Anlagen an die verarbeitende Industrie liefern, die im ZVEI vertretenen Herstellern von elektronischen Baugruppen liefern Güter, die in denen des VDMA eingesetzt werden, die Leiterplattenhersteller liefern an die Baugruppen-Hersteller, die Chip-Industrie ist noch weiter vorgelagert.

Die Chip-Industrie als Frühzykliker senkt die Umsatzprognosen, bei den Leiterplattenherstellern zeigt sich Schwäche. Wann folgen die anderen?

(Nach Pressemitteilungen des ZVEI und des VDMA)

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