Schuldenkrise – Akt drei

Mit der Lehman-Pleite Mitte September 2008 begann der erste Akt der Schuldenkrise. Die Schuldenblase platzte, die Verschuldung wurde aus dem privaten in den öffentlichen Sektor verschoben. Im März 2009 startete eine fulminante Erholung zunächst der Aktienkurse weltweit, dann der Realwirtschaft – Akt zwei der Schuldenkrise.

Im Mai diesen Jahres crashten Rohstoffe, zeitgleich erlahmte die Erholung der US-Wirtschaft. Anfang Juli setzte eine Reflex-Erholung der Finanzmärkte ein, initiiert durch die Freigabe einer weiteren Finanzspritze für Griechenland und die Hoffnung auf ein baldiges Endes des konjunkturellen „Soft-Patchs“ in den USA.

Jetzt ist der Vorhang zum dritten Akt der Schuldenkrise aufgegangen.

Anlass war zunächst der erst kurz vor Toresschluss zustande gekommene Kompromiss über die US-Schuldengrenze. Am Donnerstag war es EU-Kommissionspräsident Barroso, der in einem Brandbrief eine Vergrößerung des EU-Schutzschirms gegen Staatspleiten forderte. Und jetzt könnte die Abstufung der Bonität der USA am zurückliegenden Freitag nach Börsenschluss durch die Ratingagentur S&P für den nächsten Abwärtsschub sorgen.

Barrosos Vorstoß war taktisch entweder unklug oder wohldurchdacht. Wohldurchdacht in dem Sinne, dass er damit die Positionen für die Durchsetzung von Eurobonds stärken wollte. Einem Instrument, das der EU den letzten Segen zur Transfer-Union gibt, vermutlich jedoch von den Finanzmärkten zunächst begrüßt würde.

Die Politik beweist ihre Unfähigkeit, mit der Staatsschuldenkrise fertig zu werden, jeden Tag aufs Neue. Das galt bisher vor allem für die EU, seit dem Gehacke zwischen Demokraten und Republikanern um die Anhebung der Schuldenobergrenze und die Einigung in letzter Minute, ist das auch für die USA offensichtlich.

Nach der Lehman-Pleite gab die Politik ein besseres Bild ab als aktuell. Hier dürfte auch so schnell keine Besserung zu erwarten sein, insbesondere nicht in der EU. Damit fällt ein die „Märkte“ im Notfall stabilisierendes Element aktuell weg.

Hinzu kommt, dass weitere Makroindikatoren zumindest auf ein Nachlassen der Erholungsdynamik hinweisen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich daraus eine Rezession, ein „double-dip“ entwickelt, ist hoch und die Staaten stehen aufgrund ihrer hohen Verschuldung in einem zu kurzen Hemd da, sprich ihnen fehlen die Mittel, erneut mittels „Konjunkturprogrammen“ gegensteuern zu können.

In den vergangenen zwei Wochen fielen die Aktienkurse weltweit, nach Auswertung des Verlauf des VIX flackert Panik auf. Chinesische Aktien zeigen (noch!) relative Stärke, was zeigt, dass die „Märkte“ auf China als Hoffnungsträger setzen. Zunächst hielten sich Rohstoffe für Industrie und Energie noch relativ gut, zuletzt kamen sie aber ebenfalls heftig unter Druck. Die Preise für Nahrungsmittel zeigen sich insgesamt bisher relativ stabil – mit starken Divergenzen innerhalb der Gruppe. Edelmetalle steigen, Silber zeigt relative Schwäche gegen Gold. Euro/Dollar fahren richtungslose Achterbahn. TBonds und etwa auch der deutsche Bund stiegen bis zurückliegenden Donnerstag sehr deutlich an.

Die Erfahrung aus dem Herbst 2008 zeigt: Ab einem bestimmten Punkt wird alles verkauft (auch das „Krisenmetall“ Gold). Diesen Punkt haben wir noch nicht erreicht. Aber es fehlt nicht mehr viel.

Die Politik unfähig und ohne Mittel, die Realwirtschaft mit deutlichem Dynamikverlust. Bleiben die Zentralbanken als letzte Zuflucht. Sie könnten mit einem konzertierten Signal, notleidende Staatsanleihen aufzukaufen, zumindest zeitweilig für Beruhigung sorgen. Die Betonung liegt auf „zeitweilig“. Das „zeitweilig“ kann länger dauern, wenn die Maßnahmen eher vom Typ „Klotzen“ sind. „Kleckern“ bewirkt eher das Gegenteil.

Im Unterschied zum Herbst 2008 dürften Staatsanleihen aktuell nicht mehr als sicherer Hafen gelten, auch wenn es in den zurückliegenden zwei Wochen so aussah. Am vergangenen Freitag kam es bereits zu empfindlichen Verlusten im TBond-Future. Dieser Unterschied dürfte Edelmetalle, insbesondere Gold direkt begünstigen.

Dadurch, dass Staatsanleihen als Asset-Klasse insgesamt künftig, sagen wir einmal, vorsichtiger angefasst werden, suchen freie Mittel andere Anlageziele. Das dürfte insbesondere konservative Aktiengruppen begünstigen.

Gold ist überkauft, aus technischer Sicht ist zumindest eine konsolidierende Pause zu erwarten. Schaffen es die Zentralbanken nicht, die „Märkte“ zu beruhigen, dürfte das Edelmetall ungeachtet dessen zunächst weiter steigen. Gold wird hauptsächlich getrieben durch mit der Verschuldung zusammenhängenden Faktoren, weniger durch Inflation. Ergo dürfte jedes Entspannungssignal gegenwärtig mit empfindlichen Verlusten im Goldpreis beantwortet werden, was aber im übergeordneten Sinne noch weiterhin als Kaufgelegenheit gesehen werden dürfte.

Der Dollar dürfte weitere Stärke zeigen, wenn auch unter erheblichen Schwankungen. Es bleibt der alte Zusammenhang, dass der Greenback in Krisenzeiten heim geholt wird. Ich sehe nicht, warum das dieses Mal anders sein sollte.

Aktien als Gruppe bleiben so lange unter Druck, so lange sich konjunkturell keine klaren Zeichen weiterer Belebung zeigen. Was allerdings stützend wirkt, ist ihre Funktion als Sachwerte und die Tatsache, dass Staatsanleihen als Anlage-Alternative an Bedeutung verlieren. Aus dieser Situation heraus dürften sich konservative Aktien besser entwickeln. Die „Sachwert-Funktion“ von Aktien dürfte umso stärker hervortreten, je umfassender die Schuldenkrise wird.

Aktuell sind Aktien zwar auf Tagessicht deutlich überverkauft, auf Wochensicht jedoch noch nicht. Damit kann es zwar jederzeit zu einer technischen Reaktion kommen, die den Anschein erweckt, als wäre nun alles eingepreist. Übergeordnet allerdings ist das eher unwahrscheinlich.

Industrie-Rohstoffe dürften unter Druck bleiben, so lange von der Konjunktur keine positiven Signale kommen. Bei Öl dürfte sich die politische Situation in Nah-Ost wieder stärker ausprägen, zunehmender Druck auf die herrschenden Regime dürfte die Preise stützen.

Das Artikelbild zeigt die Maske des Dionysos (2. Jhdrt v.Chr.).
Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Tragedy (Artikel über die griechische Tragodie)

Das könnte Sie auch interessieren:

Bewertung: 5.0/5
Please wait...