Dunkle Wolken am Horizont

Mit den aktuellen Schwierigkeiten amerikanischer Hypothekenfinanzierer zeigt sich, dass die amerikanische Immobilienblase mitnichten Schnee von gestern ist und auch nicht längst eingepreist ist, wie die Vertreter der Theorie von den effizienten Märkten immer wieder behaupten.

Wir erleben zurzeit die größte finanzielle Blase der Weltgeschichte – weit größer als die zu Zeiten des Technologie-Hypes um die Jahrtausendwende. Die Politik des billigen Geldes hat u.a. auch dazu geführt, dass in immer größeren Maße und immer sorgloser Häuser beliehen wurden.

Anfang 2004 erreichte die Aktie von Fannie Mae, einer der beiden größten halbstaatlichen amerikanischen Immobilienfinanzierer, ein zyklisches Topps unterhalb von 80 Dollar. Seitdem ging es bergab bis auf gut 40 Dollar im Oktober 2005. Dann begannen Analysten zu bimmeln, jetzt sei die Aktie wirklich billig und alles Schlechte eingepreist. Das verfehlte die Wirkung nicht: In zwei Wellen stieg die Aktie bis auf gut 60 Dollar im November 2006 immer begleitet von der Musik, die Immobilienblase sei beherrschbar und das KGV der Aktie sei günstig. Kurz vor dem Einbruch der weltweiten Aktien Ende Februar konnte der Wert nochmals an das Hoch im November anknüpfen. Jetzt notiert er in einem zwischenzeitlich ausgebildeten Abwärtskanal zehn Prozent tiefer.

Es ist das alte Spiel: Wenn ein Sektor austoppt, sind Nachrichten und Bewertung günstig, die Analysten bullisch. Im Bereich von Markt-Topps ist das KGV häufig relativ niedrig, Aktien sind scheinbar günstig. Dabei liegt das Problem dann nicht im Kurs, sondern im Gewinn. Marc Faber zieht hier einen interessanten Vergleich: 1929 habe der amerikanische Aktienmarkt ein recht günstiges KGV von 14 gehabt, aber da die Gewinne einbrachen, stürzten die Kurse um 90 Prozent ab.

Wegen des schwächeren Immobilienmarktes und Problemen mit Hypothekendarlehen an Personen minderer Bonität (Sub-prime market) beginnt eine Quelle von Überschussliquidität auszutrocknen. Inwieweit sich die Kreditprobleme ausweiten über den Immobiliensektor hinaus, muss sich noch zeigen. Auffällig ist aber, dass sich der Sinkflug der Bank-Margen bei den großen Geschäfts-Volumina im vierten Quartal 2006 beschleunigt hat. Aktuell liegen sie bei 3,2 %, im Jahr 2002 waren es noch 4 % – ein Verfall um 20 %.

Sinkende Bank-Margen bedeuten in der Konsequenz, dass die Bereitschaft zur Vergabe von Krediten (frischer Liquidität) nachlässt. Und das wirkt finanz- und realwirtschaftlich weiterer Expansion entgegen und ist somit ein wichtiger Faktor in einem aufziehenden Szenario wirtschaftlicher Abkühlung bis hin zu einer Rezession.

Dies steht damit ganz im Einklang mit der Entwicklung bei den berühmt-berüchtigten Carry-Trades. Sie sind im Zuge der jüngsten Korrektur massiv aufgelöst worden, was die Talfahrt bei den “Asset”-Preisen beschleunigt hat. Auch hier sind die Vertreter der Theorie vom effizienten Markt schnell dabei und behaupten, die Problematik mit den Carry-Trades sei in den Kursen schon eingearbeitet und das dementsprechende Geklapper in den Medien nur die nachlaufende Begleitmusik.

Häufig wird der kürzlich erfolgte Einbruch verglichen mit dem im Mai 2006. Damit wird suggeriert, dass sich der im Juni/Juli 2006 folgende und bis in 2007 anhaltende Aufschwung v.a. bei Aktien auch jetzt wiederholt. Das mag zwar kurzfristig stimmen. Es kann sogar sein, dass wir eine noch höhere bullische Dynamik erleben. Hier wird gerne der Vergleich etwa zum Jahr 1998 bemüht.

Dieses Mal ist es aber trotzdem anders – es ist ein Warnschuss wie etwa im Frühjahr 2000 auch. Dafür gibt es klare technische Indizien, etwa die Dynamik, mit der VIX explodierte oder die am TRIN gemessene Marktbreite, die auf einen solch bärischen Wert emporschnellte, wie er im gesamten Bärenmarkt ab 2000 nie registriert wurde.

Daneben gibt es fundamentale Gründe: Die Wachstumserwartungen sind blauäugig hoch. Immer noch rechnen viele Akteure damit, dass die Unternehmensgewinne wie in den Vorjahren auch zweistellig steigen. Gleichzeitig sollen die entwickelten Volkswirtschaften im Schnitt im laufenden Jahr um real deutlich mehr als 2 % wachsen. Dahinter steht damit die Erwartung, dass das Wirtschaftswachstum die Unternehmensgewinne weiterhin überproportional begünstigt. Der Schwachpunkt bei diesen Erwartungen ist nur, wie sich die dahinter verbergende stagnierende bis rückläufig kaufkräftige Nachfrage der Verbraucher auswirkt insbesondere in einem Umfeld eher schwindender Überschussliquidität. Die einzelnen Bausteine in diesem Erwartungs-Puzzle passen nicht zusammen.

Das Verschuldungsniveau hat absolut und relativ exorbitante Formen angenommen. Ein solch hoher Schuldenhebel kann nachhaltig nur durchgehalten werden, wenn das Wirtschaftswachstum ungebrochen stark bleibt. Davon kann aber aus meiner Sicht nicht ausgegangen werden. Überall zeigen sich Risse in der Fassade. Wann diese Risse zu statischen Problemen führen, ist zwar nicht genau zu sagen. Aber die Gefahr eines Domino-Effekts wächst mit dem Schuldenhebel exponentiell – ein scheinbar nichtiger Anlass reicht schon für einen Flächenbrand. Was dieser Anlass sein wird, ist nicht zu sagen. Es kann ein externer, geopolitischer Schock sein oder ein wirtschafts-endogenes Ereignis.

Ein weiteres Risiko liegt in den internationalen Währungsparitären. Sie sind insbesondere zum Yen hin durch Carry-Trades völlig verzerrt. Langfristig spiegeln Währungsrelationen die unterschiedliche Wirtschaftskraft von Ländern wider. In diesem Sinn ist der Yen viel zu niedrig im Verhältnis zum Euro und zum Dollar. Das gilt auch für die chinesische Währung, wobei hier der Grund darin liegt, dass die chinesische Notenbank den Dollar durch exzessive Käufe von amerikanischen Staatanleihen stützt. In beiden Fällen sind es Schuldenströme, die das reale Bild zeitweise verzerren.

Folgendes Szenario erscheint mir zu diesem Thema mittelfristig wahrscheinlich: Bedingt durch häufiger werdende internationale Turbulenzen wird Zug um Zug Kapital heim geholt in die USA (und nach Europa). Das stärkt den Dollar (und den Euro). Der insbesondere gegen Währungen der “Emerging markets” fester werdende Dollar löst eine Verkaufswelle bei den amerikanischen Staatsanleihen aus, was das Zinsniveau in den USA am langen Ende in die Höhe treibt. Das aber ist gerade im Rahmen einer konjunkturellen Abkühlung kontraproduktiv und birgt ein sehr hohes Gefahren-Potenzial.

Was das Währungsverhältnis Euro-Dollar angeht, so ist die Erwartung insbesondere bei bullischen Akteuren weit verbreitet, dass der Dollar in der Perspektive deutliche Schwäche aufbaut. Gerade weil diese Erwartung so weit verbreitet ist, sollte man eher mit dem Gegenteil rechnen. Ein vergleichsweise fester Dollar wiederum würde über das hohe amerikanische Zwillingsdefizit sehr schmerzhafte Anpassungsbewegungen erfordern, insbesondere wenn das Ausland nicht mehr so bereitwillig Schuldscheine kauft.

Marc Faber wiest auf einen weiteren Punkt hin: Öl-produzierende Länder reinvestieren traditionell einen hohen Anteil ihrer Einnahmen in Staatsanleihen. Wenn -bedingt durch eine nachlassende Weltkonjunktur- die nachgebende Nachfrage den Öl-Preis sinken lässt, werden auch weniger amerikanische und andere Staatsanleihen nachgefragt. Das reduziert die internationale Liquidität und wirkt auf das Zinsniveau etwa in den USA tendenziell ebenfalls steigend.

So weit einige fundamentale Punkte, die das Potenzial für heftige Turbulenzen beinhalten. Jawohl, ihr Vertreter der Hypothese vom effizienten Markt, diese sind alle bekannt und länglich diskutiert. Aber sie sind mitnichten “eingepreist”.

Ein Warnzeichen für künftiges Ungemach eröffnet auch der Blick auf die Intermarket-Korrelationen. Sie sind im kurzfristigen Zeitfenster in Unordnung – will sagen, sie bewegen sich aktuell entweder in einem undefinierten Bereich oder sind gegenüber der langfristigen Entwicklung ins Gegenteil verkehrt. Das ist üblicherweise ebenfalls ein deutliches Warnzeichen – es drückt Unsicherheit aus. Und Unsicherheit ist Gift für die Märkte.

Wie sind die kurzfristigen Perspektiven? Die Positionierung in Optionen auf den S&P 500 hat ein solch extrem bärisches Maß erreicht (weit bärischer als im Mai 2006), dass es jetzt jederzeit zu einer Short-Squeeze kommen kann, die die Aktienkurse kurzfristig explodieren lassen könnte. Heute ist “Hexensabbat”, da dürfte ein besonderes Interesse bestehen, den Tag etwa auf dem erreichten Kursniveau zu überstehen. Aber dann dürfte der Deckel kaum noch zugehalten werdem können, es sei denn, es kommen “rechtzeitig” sehr schlechte Nachrichten auf.

Bedingt durch die Probleme amerikanischer Hypothekenfinanzierer beginnen sich Hoffnungen zu entwickeln, dass die Fed in der kommenden Woche die Zinsen senkt oder zumindest ein Wort in diese Richtung fallen lässt. Dies hat das trotz unerwartet hoher Steigerungstendenzen vor allem bei den Produzentenpreisen zuletzt deutlich gestiegene Wechselkursverhältnis Euro/Dollar genauso indiziert wie die fallenden Renditen am kurzen Ende. Mit einem entsprechenden Zinsschritt rechnen dennoch die wenigsten Beobachter, wohl aber mittlerweile mit einem Hinweis im “Bias”. Und das würde schon reichen, um eine Aktien-Rallye anzufeuern. Parallel dazu haben die TimePattern bei den TBonds deutlich in den Verkaufsmodus geschaltet, was momentan ein für Aktien ebenfalls günstiges Signal ist.

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